Hallo Patrick. Haben dir deine Fans damals den Umstieg von der volkstümlichen Musik hin zum Schlager übel genommen?

Ich glaube meine Fans haben mir das überhaupt nicht übel genommen. Es gab zwar innerhalb der Branche ein paar Stimmen, die laut wurden uns sagten: "Jetzt ist er fahnenflüchtig geworden". Ich war selber ziemlich erschrocken zu dem Zeitpunkt, weil ich dachte, es gehört allgemein zum Entertainment, dass man Vielseitigkeit zeigen soll oder kann. Uwe Hübner hatte mich damals gefragt, warum ich eigentlich nicht zu ihm in die Hitparade komme. Ich war damals der Meinung, dass ich nicht auf beiden Hochzeiten tanzen kann. Bei Carolin Reiber und eben dann in der legendären ZDF-Hitparade. Und dann hab ich’s mit einem Titel wirklich mal versucht. Ich muss gerade selber überlegen… Das war der Song "Hast du heut wirklich schon gelebt?". Und Tatsache war eben, dass mich meine Fans drei Mal hintereinander auf Platz 1 gewählt haben. Das war beim damaligen Modus möglich, dass du drei Mal dabei sein konntest, wenn du dich unter den ersten Drei platziert hast. Und ab da war eben für alle Kritiker klar, da brauchen wir jetzt gar nicht mehr darüber reden. Die Tür war einfach aufgestoßen. Das war dann absolut kein Thema mehr.

Fehlt heutzutage diese Plattform der ZDF-Hitparade? Besonders für junge Künstler?

Ja, auf jeden Fall. Wenn ich an damals zurück denke, war natürlich die Plattform eine viel, viel größere. Klar fehlt das heute. Das ist ganz logisch. Für junge Leute gibt es heutzutage fast keine Möglichkeiten mehr sich einen Namen zu machen und ihre Titel zu Hits zu machen. Das ist selbst für etablierte Künstler schon schwer ihre Songs in den Charts zu platzieren. Weil dafür eben die Möglichkeiten der Präsentation schlichtweg fehlen.

Wenn man nicht gerade Helene Fischer heißt.

Natürlich gibt es immer ein paar Ausnahmen. Das ist ganz klar. Aber früher war es des Öfteren der Fall, dass ein Titel der raus kam im ersten Moment gar nicht so toll ankam beim Publikum. Durch die Möglichkeit der Präsentation in der Hitparade, oder auch in anderen Sendungen damals, hat sich das durchaus geändert. Je öfter der Zuhörer den Titel gehört hat, desto besser fand man ihn plötzlich. Und dann wurde es ein Hit. So war das damals. Die Songs waren teilweise so bekannt, dass jeder ihn mitsingen konnte. Und manche sind bis heute noch beständig.

1999 kam dann für dich die Teilnahme an der Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest mit "Ein bisschen Sonne, ein bisschen Regen". Du warst einer der bekanntesten Teilnehmer. Wie groß war die Enttäuschung hinterher, im Feld der eher Unbekannten, nicht gewonnen zu haben?

Die Enttäuschung war jetzt nicht allzu groß. Ich habe die Teilnahme eher als Meilenstein in meiner Karriere angesehen. Für mich war es eine große Ehre dort mitmachen zu dürfen. Ich hatte mir auch keine allzu großen Chancen ausgerechnet. Was eher damit begründet war, dass man es als bekannter Name eher schwerer hat nach vorne zu kommen. Im Endeffekt muss ich sagen war es für mich eine tolle Erfahrung dort mitgemacht zu haben. Für mich war die Teilnahme an der Vorentscheidung ein weiterer Punkt die von mir bereits erwähnte Vielseitigkeit darzustellen und zu beweisen. Hat auf jeden Fall richtig Spaß gemacht damals in Bremen. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Eine wirklich außergewöhnliche Erfahrung.

Lag es möglicherweise an zu viel "Hey, hey, ho, ho" im Text?

(Lacht) Ja Gott. Ich kann mich gut daran erinnern, dass Hanne Haller damals zu mir sagte: "Das Lied passt ja überhaupt nicht zu dir". Daher wusste ich, dass sie diesen Titel überhaupt nicht leiden konnte. „Ein bisschen Sonne, ein bisschen Regen“ läuft heute immer noch ab und zu im Radio, auch wenn es kein riesengroßer Hit geworden ist. Dadurch kann man wohl auch sehen, warum es nicht ganz gereicht hat nach vorne zu kommen. Es war immerhin ein Lied von Alfons Weindorf und Bernd Meinunger. Aber gut. Wie gesagt, es war eine tolle Erfahrung. Ich hab’s genossen, und bin im Endeffekt vielleicht ganz froh, dass ich Deutschland nicht vertreten musste. Nachdem, was man da für eine Last auf dem Buckel trägt. Aber wenn ich gewonnen hätte, hätte ich mich natürlich auch gefreut Deutschland zu vertreten. Keine Frage.

Würdest du dich als ESC-Fan bezeichnen? Dieser Wettbewerb ist ja besonders unter den homosexuellen Männern sehr beliebt.

Ich muss sagen, dass sich der Wettbewerb seit meiner Teilnahme an der deutschen Vorentscheidung 1999 doch sehr gewandelt hat. Damals war der Schlager noch etwas stärker vertreten, mittlerweile hat sich das ganze Ding ja irgendwie total verändert und gedreht. Vor allem musikalisch. Also ich fand den diesjährigen ESC äußerst spannend. Mir hat die Show besser gefallen, als die Jahre zuvor. Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich den ganzen Abend sehr gut unterhalten gefühlt habe. Im Nachhinein gab es einige Kritiker, die sagten, es wäre so schlimm gewesen wie schon lange nicht mehr. Ich habe das ganz anders empfunden. Ich fand es großartig. Die Bühne war grandios, die Moderatoren waren super. Ich fand die Titel zum Teil auch sehr viel kommerzieller als die Jahre zuvor.

Ist es heutzutage als homosexueller Künstler leichter als zu Beginn deiner Karriere?

Ja gut, ich meine da hat sich natürlich schon sehr viel verändert. Und ich glaube, dass auch ich einen großen Teil dazu beitragen konnte. Dass dieses Thema überhaupt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist und endlich einmal darüber gesprochen wurde. Was bis dahin zumeist nur unter vorgehaltener Hand geschah, und diese Thematik zum größten Teil unter den Teppich gekehrt wurde. Da sind wir heute schon sehr viel weiter und liberaler. Obwohl ich dazu sagen muss, dass es heute noch immer, oder wieder, Schwierigkeiten gibt. Gerade im Moment, wo sich die Religionen so sehr vermischen, dass es oftmals kein Leichtes ist mit diesem Thema so frei umzugehen. Dennoch kämpfe ich dafür, dass es lockerer wird. Ich habe jetzt als Künstler, so wie ich mich fühle, überhaupt keine Probleme damit. Seit Jahren nicht mehr. Und auch vorher nicht. Für viele war es natürlich ein Schlag ins Gesicht, als mich seinerzeit die Bild-Zeitung groß auf ihrer Titelseite geoutet hat. Und zwar so, wie ich es selber nie gesagt hätte. Weil es so eine richtige Ohrfeige für mich war. Und auch für meine ganzen Fans. Danach musste ich erst wieder das Vertrauen des Publikums zurück erobern, was mir Gott sei Dank auch gelungen ist. Zum Teil hab ich ein großes Stück wieder von vorne anfangen müssen. Das war gar nicht so einfach. Aber es hat mir, glaube ich Ecken und Kanten gegeben, die die Leute heute noch als sehr wichtig empfinden, wenn es um die Person Patrick Lindner geht. Weil ich plötzlich nicht mehr dieser glatte, gelackte Typ war. Sondern da gab es plötzlich etwas, wo man sich dran reiben konnte. Und das hat, da bin ich mir ziemlich sicher, viel zu meiner Persönlichkeit beigetragen. Heute habe ich meine eigene Stiftung, die genau dieses Thema behandelt und unterstützt. Wir führen Aufklärungsprojekte in Schulen durch. Schon seit vielen Jahren. Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass wir besonders bei den jungen Leuten viel erreichen konnten. Dass es wichtig ist über das Thema Homosexualität zu diskutieren. Das ist nach wie vor sehr, sehr wichtig. Und da unterstützt eben meine Stiftung finanziell viele Projekte, die dieses Geld auch brauchen, um diese Aufklärungsprojekte durchführen zu können.

Viele in meiner Generation sind dankbar, dass sich jemand wie du, der in der Öffentlichkeit steht, dazu bekennt. Um die Adoption deines Sohnes Daniel gab es im Laufe der Jahre viele Schlagzeilen. Wie schwierig war es ihn im Laufe der Zeit aus diesem Presserummel herauszuhalten?

Das ist in dem Moment, wenn man so im Fokus steht, natürlich schwierig. Ich glaube, ich hab das alles irgendwie ganz gut umschifft und im Nachhinein betrachtet ganz gut hingekriegt. Heute ist es so, dass Daniel völlig raus ist aus der Presse. Er ist mittlerweile erwachsen, und ich vermeide es strikt bei Interviewterminen über seine Person zu sprechen. Er sagt einfach: "Papa, du das ist mein Leben". Das akzeptiere ich voll und ganz. Ich kann nur sagen, dass es natürlich nicht immer ganz einfach war. Weil vor allem mein damaliger Partner Michael Link sehr extrovertiert ist, und eben auch in dieser Hinsicht sehr freizügig war. Deswegen hatte ich es im Nachgang ein bisschen schwerer Daniel da wieder mehr aus der Presse rauszuhalten. Und ich sage, das haben wir ganz gut hinbekommen.

"Die kloane Tür zum Paradies" war 1989 dein großer Durchbruch. Kannst du dich noch erinnern, was dir durch den Kopf ging, als du dieses Lied das erste Mal gesungen hast?

Ja klar. Ich hatte ja mit dem Schlager angefangen. "Der Traum von ewiger Liebe" war damals meine erste Single und ein kleiner Achtungserfolg. Bis dann eben Jean Frankfurter, vielen natürlich bekannt durch Helene Fischer zuletzt, ein fantastischer Produzent und Komponist, zu mir kam und sagte: "Ich habe ein Lied für dich geschrieben. Ich werde es, so wie es aussieht, zum Grand Prix der Volksmusik einreichen". Ich war im ersten Moment total verdutzt und dachte: "Was soll ich denn da?". Das war überhaupt nicht der Weg, den ich mir so vorgestellt hatte. Als ich dann im Studio stand und diesen Titel aufgenommen habe, habe ich erst gemerkt, dass es ein Lied war, was mir unheimlich lag und total zu mir passte. Im Nachhinein betrachtet war es für mich das größte Sprungbrett überhaupt in das Musikgeschäft hinein. Zum damaligen Zeitpunkt war der volkstümliche Schlager wahnsinnig am Aufsteigen. Ein Jahr zuvor hatte ja das Naabtal Duo mit "Patrona Bavarie" und dem Sieg beim Grand Prix der Volksmusik einen Millionen-Seller. Der "herkömmliche" Schlager lag zur damaligen Zeit ein wenig brach. Und somit war ich im Nachhinein ganz glücklich diesen Weg gegangen zu sein. Dass man mich quasi durch diese Tür geschoben hat. Was mir letzten Endes meinen Weg und meinen Erfolg gebahnt hat. Deshalb bin ich nach wie vor sehr dankbar für diesen Moment und dieses Lied.

Und jetzt bist du in der Sendung von Stephan Mross zu Gast, der dich 1989 beim Grand Prix der Volksmusik geschlagen hat.

Ein Prozentpunkt Unterschied war zwischen uns damals. Aber natürlich war das für mich damals ein riesengroßer Einstieg als Zweiter in diesem Wettbewerb. Ich glaube, dass das Publikum damals mich genauso als Sieger gesehen hat. Stephan war Instrumentalist, ich war Vokallist. Ich glaube, in dem Jahr wurden einfach zwei Sieger gekürt. Vom Gefühl her hatte ich auf jeden Fall Platz auf diesem Treppchen, den mir mein Publikum damals dann auch gegeben hat. Das haben dann ja auch die späteren Erfolge gezeigt.

Vielen Dank Patrick und alles Gute auf deinem weiteren Weg.