Hi Mr. Lordi. Habt ihr euch 2006 um die Teilnahme an der Vorentscheidung in Finnland zum Eurovision Song Contest aktiv beworben, oder kam der verantwortliche Fernsehsender auf euch zu?

Wir wurden vom YLE gefragt, ob wir uns vorstellen können an der Vorentscheidung teilzunehmen. Die Entscheidung innerhalb der Gruppe sah folgendermaßen aus: Vier von uns haben, mehr oder weniger, sofort Ja gesagt. Amen war dagegen: "No fucking way – auf gar keinen Fall". Ich denke, er musste damals erst ein, zwei Nächte darüber schlafen. Es war definitiv innerhalb der Band keine leichte Entscheidung diesen doch eher ungewöhnlichen Schritt zu gehen. Ok. Vier von Fünf waren einverstanden, Einer von Fünf definitiv nicht. Aber letzten Endes war Amen doch von der Entscheidung überzeugt: "Ok, wir machen es!".

Habt ihr damit gerechnet, im ersten Schritt die Vorentscheidung in Finnland zu gewinnen, und im zweiten Schritt das ganze "ESC-Ding" in Athen zu rocken und den Sieg nach Hause zu holen?

Nein, nie im Leben haben wir damit gerechnet. Bevor wir eingeladen wurden an der finnischen Vorentscheidung teilzunehmen, lag es völlig außerhalb unserer Vorstellungskraft jemals beim Eurovision Song Contest aufzutreten. Das ist der absolut schrägste Ort, wo man eine Band wie Lordi vermuten würde. So, wie wir aussehen und wie wir klingen. Wir hatten keinen Plan davon, was uns dort überhaupt erwarten würde. Vor der Vorentscheidung in Finnland habe ich gesagt: "Es wird definitiv schwerer für uns den Wettbewerb in Finnland zu gewinnen, als in Athen das Finale zu erreichen. No Fucking Way". Aber dann sind wir nach Griechenland gefahren und haben tatsächlich das Ding gewonnen.

Dauert es tatsächlich vier Stunden bis ihr mit Kostümen und Makeup fertig für die Bühne seid?

Bei mir sind es etwa drei Stunden. Die anderen Bandmitglieder, vor allem die, die nicht von Anfang an dabei sind, brauchen etwas länger. Ich brauche alleine zweieinhalb Stunden nur für das Gesicht. Das Kostüm anlegen dann noch die letzte halbe Stunde. Das kommt in etwa so hin.

In Athen hattet ihr sehr viele Presse- und Promotion-Termine. Wie oft habt ihr dort die Kostüme gewechselt? Wart ihr dort jeden Tag in voller Montur unterwegs?

Ja, wir mussten uns jeden Tag "fein" machen. Wir waren ja zum "Arbeiten" dort. Wann immer wir als "Lordi" gefragt sind, müssen wir in unseren Kostümen auftreten. Das ist sozusagen unsere Arbeitskleidung. Genauso wie ein Polizist, wenn er zur Arbeit geht, seine Uniform tragen muss, tragen wir eben unsere Uniformen. Das ist für mich dasselbe. Ich sage immer, dass wir die hübscheste Band des Planeten sind. Wir erregen jedesmal Aufmerksamkeit, wenn wir in unseren Kostümen auftauchen. Das gehört bei Presseterminen einfach dazu. Wenn wir ohne unsere "Uniformen" und ohne unsere Masken dort auftauchen würden, wären wir nicht Lordi, sondern nur ein paar gewöhnliche Jungs und ein Mädchen. Nur eine kleine Horde Menschen. Da frage ich dich: Wen zum Teufel kratzt das?

In Athen war es während der ESC-Woche sehr heiß. Wie viel habt ihr tagsüber getrunken? Ist es schwierig mit den Kostümen auf die Toilette zu gehen?

Ja, das geht. Ohne Probleme. Die ersten Kostüme, die wir 2000 bis etwa 2002 hatten, waren dafür weniger gut geeignet. Diese hatten einen kleinen "Schönheitsfehler". Da hatten wir überhaupt keine Möglichkeit zur "Erleichterung". Weder auf die eine, noch auf die andere Weise. Wenn du verstehst, was ich meine. Aber mittlerweile gibt es dafür ein "System", wie wir das ohne Probleme bewältigen können. Das ist mittlerweile Normalität für jeden. Wie viel wir getrunken haben? Gute Frage… das ist immerhin nun schon zehn Jahre her. Aber das war auch damals nichts Neues für uns, das wir viel Flüssigkeit zu uns nehmen müssen. Wenn man in einem "Ganzkörperkondom" steckt, welches aus Gummi ist, wie unsere Kostüme, dann schwitzt man automatisch sehr stark. Somit trinkst du auch sehr viel. Wenn wir auf der Bühne stehen, und unsere Show machen, ist es natürlich noch heißer. Athen, ja, da war es warm. Aber nicht übermäßig warm. Es war für uns "normal". Da war es in Arizona und in Texas deutlich schlimmer. Im Sommer, während unserer Show. Dazu noch die Pyrotechnik. Da gab es im Laufe unserer Karriere deutlich schlimmere Orte, als es Athen jemals war.

Und Finnen lieben es ja ohnehin in die Sauna zu gehen.

Ja, das ist richtig. Unsere Kostüme sind sozusagen "tragbare" Saunen, die wir immer dabei haben. Schade nur, dass keine Dusche eingebaut ist, sondern wir darin nur den Teil zum Schwitzen haben.

Weißt du noch, was euch die Pyrotechnik alles in allem beim Eurovision Song Contest gekostet hat?

Ich glaube, das habe ich mittlerweile erfolgreich verdrängt. Aber es war sehr viel. Wirklich sehr viel. Ich kann mich leider wirklich nicht mehr daran erinnern. Das ist nun immerhin schon ein ganzes Jahrzehnt her. Wir mussten die Pyrotechnik bei jeder verdammten Probe einsetzen. Jedes einzelne Mal. Und das nicht nur beim Semifinale und Finale, welche im Fernsehen übertragen wurden. Bei jeder verdammten Probe. Das war alles in allem zwischen 10 und 15 Mal.

In der Geschichte der Band Lordi sind einige Mitglieder hinzugekommen, andere haben die Gruppe verlassen. Hast du die alten und neuen Charaktere der Gruppe erschaffen, oder war dies ein gemeinsamer Prozess mit den einzelnen Mitgliedern?

Die Grundidee für die Charaktere kommt grundsätzlich von mir. Ich habe jedoch, bis zum heutigen Tag, niemanden in eine Rolle hinein gedrängt oder dazu überredet. Jedes Mal, bevor ein neues Mitglied zur Gruppe stößt, frage ich: "Was ist dein Lieblingsmonster? Welche Figur wärst du gerne? Mit welchem Charakter kannst du dich identifizieren?". Der Hintergrund dafür ist folgender: Du kannst nicht ein Charakter sein, eine Figur spielen, wenn du nicht 100% davon überzeugt bist, dass du der beste Charakter der Band bist. Wenn du nicht der größte Fan deiner eigenen Figur bist, dann kann dies meiner Einschätzung nach auch nicht funktionieren. Wir führen intensive Gespräche und unterhalten uns ausführlich, bevor wir das neue Monster der Öffentlichkeit präsentieren. Aber das Grundkonzept stammt immer von mir. Ich spreche auch mit den übrigen Bandmitgliedern darüber. Das Ganze ist sozusagen eine Erweiterung deiner eigenen Persönlichkeit. Absolut.

Woher stammt die Inspiration all diese Monster und Charaktere zu erschaffen?

In der Regel aus Horrorfilmen. Seit ich ein kleiner Junge war haben mich Monster fasziniert und in ihren Bann gezogen. Ich war auch kein Kind, das sich vor Monstern gefürchtet hat und Angst hatte, dass sie unter meinem Bett sind. Oder ich lasse mich von Comics inspirieren. Außerdem wurde ich von Bands, wie Kiss, Twisted Sister und Alice Cooper musikalisch beeinflusst. Es ist eine Kombination aus all meinen Idolen. Das ist das Grundkonzept unserer Band. Sozusagen eine upgedatete Kombination aus allem, Kiss, Twisted Sister, Alice Cooper, kombiniert mit Horrorfilmen. Freddy Krueger, Leatherface, und so weiter.

Auf einer der Pressekonferenzen in Athen hast du erzählt, die Band Lordi würde Kinder zum Frühstück essen. Ist das immer noch der Fall, oder seid ihr in der Zwischenzeit Vegetarier geworden?

Fucking nein, ich bin kein Vegetarier (lacht). Und die anderen auch nicht. Natürlich war das damals nur Spaß. Ein paar Jahre nach unserem Sieg beim Eurovision Song Contest hatten wir ein Album, welches diese Aussage auch etwas auf die Schippe genommen hat. Das Album hieß dann sinnigerweise nicht "Babys zum Frühstück" ("Babys For Breakfast") sondern "Babes zum Frühstück" ("Babes For Breakfast"). Aber coole Frage. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, dies damals gesagt zu haben.

Vor kurzem habe ich in einem Interview von dir gelesen, Lordi würden noch einmal am Eurovision Song Contest teilnehmen. Aber für Deutschland. Was denken die Finnen darüber, dass ihr "fremdgehen" möchtet?

(Lacht) Das war in einem Interview mit einem deutschen Portal. Weil ich darauf angesprochen wurde, was die Deutschen tun können, um die Misere der letzten Jahre beim Eurovision Song Contest zu beenden. Ernsthaft. Und da habe ich eben gesagt, Lordi sollten für Deutschland singen. Wären wir beim Eurovision Song Contest nicht schon dabei gewesen, würden wir es vielleicht machen. Da wir dies aber bereits getan haben, werden wir es mit absoluter Sicherheit nicht noch einmal tun. Aus dem einfachen Grund. Wir können es nicht besser machen, als beim letzten Mal. Wir können dem Ganzen nicht noch eins drauf setzen. Wir haben damals gewonnen.

Was tut Mr. Lordi, oder was tust du als Tomi in deinem bürgerlichen Leben, wenn du nicht auf der Bühne stehst?

Ich mache so ziemlich alles in der Lordi-Welt. Da gibt es unheimlich viel zu tun neben den Shows. Im Moment sind wir inmitten der Proben für unsere anstehende Tour, die in den nächsten Tagen beginnt. Ich möchte bei allem mitreden, in alles einbezogen werden, was bezüglich der Band passiert. Das ist ein 24-Stunden-Job. 7 Tage die Woche. Viele denken, wir gehen auf die Bühne, machen Musik, performen, und das war’s. Dem ist bei weitem nicht so. Es ist wirklich ein 24-Stunden-Job an 7 Tagen die Woche. Da ist wahnsinnig viel zu tun. Besonders für mich. Ich bin dumm, weil ich so viel in der Band selber machen will. Ich entwerfe die Cover für unsere Alben. Die Kostüme, die Masken. Ich bin verantwortlich für das Bühnenbild. Aber natürlich bin ich nicht allein. Ich habe großartige Menschen um mich herum, die mir helfen. Aber dennoch möchte ich in jede nur so winzige Entscheidung und in jedes nur so winzige Detail mit einbezogen werden. Ich möchte jeden noch so kleinen Schritt des Weges begleiten. Eben auch seit Lordi ein eingetragenes Warenzeichen ist. Das sind viele geschäftliche Dinge mit verschiedenen Firmen zu regeln. Oder es müssen Vertriebswege organisiert werden. Du siehst, es ist sehr viel mehr zu tun, als nur in den Kostümen zu stecken und zu performen.

Euer aktuelles Album trägt den Namen "Monstereophonic" sowie den Untertitel "Theaterror Vs. Demonarchy". Welche Seite wird den Kampf gewinnen?

Die Seite "Theaterror" ist sozusagen die "klassische" Seite der Band Lordi. Die Lieder sind sehr melodisch, sehr 80er-Jahre-orientiert. Ein bisschen Hardrock, ein bisschen Classic-Rock. Die andere Seite, "Demonarchy", ist eher modern und sehr komplex. Im Moment sieht es eher danach aus, als würde die "Dämonen-Seite" die Oberhand gewinnen. Im Moment. Aber letzten Endes liegt es an unserem Publikum diese Entscheidung zu treffen. Ich mag beide Seiten des Albums gleich gern.

Welche Idee steckt dahinter diese zwei Seiten des Albums zu erschaffen?

Hinter dem zweiten Teil des Albums steht ein (gewisses) Konzept. Es ist, wie bereits erwähnt, etwas moderner ausgerichtet und geht mehr in Richtung Heavy Metal. Diese Art von Liedern schreibe ich für gewöhnlich. Aber meistens haben es diese Stücke nicht auf unsere bisherigen Alben geschafft. Wir waren "Pussys". Wir hatten bisher einfach nicht die Eier das zu tun. Da wir uns nicht sicher waren, ob unsere Fans das von uns wirklich hören möchten. Wir sind davon ausgegangen, dass unser Publikum das hören möchte, was sie von uns gewohnt sind. Dann haben wir in der Band gemeinsam nach Ideen gesucht, wie wir das am besten umsetzen können. Dann hatten wir eben den Einfall ein zweigeteiltes Album zu veröffentlichen. Sechs Lieder auf die "klassische" Art. Die Art von Liedern, für die wir bekannt sind, eben gemischt mit sechs Lieder der moderneren Art. Wir dachten auch, dass es nun an der Zeit sei auch mal etwas zu wagen und etwas Neues auszuprobieren. Das ist unser achtes Album mittlerweile. Und im Moment sieht es wirklich sehr vielversprechend aus, dass das Konzept wirklich aufgeht. Dass es sowohl bei unseren Fans, als auch bei den Kritikern gut ankommt. Wir sind echt begeistert. Das Ganze ist ein sehr schönes, kleines Experiment für uns. Dass wir sozusagen die "Erlaubnis" bekommen etwas anderes und Neues auszuprobieren, als immer nur das zu tun, wofür wir bekannt sind und was wir eigentlich immer gemacht haben. Immer nur strikt in unserem von uns selber gesteckten Rahmen uns bewegen zu müssen. Darüber sind wir sehr glücklich.

Wie bereitet ihr euch auf die neue Tour vor? Und was können die Besucher von eurer Show erwarten?

Das sage ich immer: "Eines ist sicher. Da stehen Monster auf der Bühne die Heavy-Rock spielen". Das können die Menschen mit Sicherheit erwarten. Dies ist sozusagen die Überschrift. Wir sind selber so ehrgeizig, dass wir den Besuchern unserer Konzerte eine gute Show liefern möchten. Da werden mit Sicherheit viele coole Freaks auf der Bühne stehen. Es werden tanzende Zombies und Skelette auf der Bühne stehen. Es wird sehr viel zu sehen geben. Und es wird mit Sicherheit heiß werden. Wir haben eine Art Horror-Wald kreiert, dazu noch ein Schloss. Es wird eine Horror-Show mit viel Ass-Shaking Rock geben (lacht).

Das Thema des zweiten Lieds auf dem neuen Album ist „He-Man And The Masters Of The Universe“. Bist du ein Fan dieses (Spielzeug-) Helden der 80er Jahre?

Ja, absolut. Ich war es damals, und bin es auch heute noch. Als Kind der 80er Jahre waren die Masters Of The Universe mein absolutes Ding. Neben den Figuren aus Star Wars. Aber ich war schon immer ein durchgeknalltes Kind. Ich wollte mich nie mit den "guten Jungs" abgeben. Wie bei Star Wars zum Beispiel. Als ich mit meinen Freunden damals Star Wars gespielt habe, wollte ich nie Luke Skywalker sein. Ich konnte es auch nicht nachvollziehen, warum jemand unbedingt diese Figur sein wollte. Ich wollte immer Darth Vader sein. Er ist einfach cool. Und bei den Masters Of The Universe ist es dasselbe. Ich konnte es nie verstehen, warum zum Teufel jemand wie He-Man sein will? Warum will niemand das Biest Skeletor sein? Ich war immer auf der bösen Seite. Weil ich finde, dass die dunkle Seite doch sehr viel cooler ist.

Wie würdest du die übrigen Mitglieder deiner Band beschreiben? In einem Satz. Oder mehr, sollte dies nicht ausreichen.

Mr. Lordi, mein Charakter, ist eine Kombination aus klassischen und modernen Monstern. Es ist so, als hätten Freddy Krüger und der Unglaubliche Hulk ein Kind zusammen. Vielleicht noch ein bisschen Leatherface mit drin. Mana, unser Schlagzeuger, ist so etwas wie ein durchgeknallter Priester aus einer vergangenen Zeit in Asien. Er ist so etwas wie der Herr der Fliegen. Hella, das ist einfach. Sie ist halb Barbie-Puppe, halb Mensch, hervor gegangen aus einem schief gelaufenen Experiment. Amen, die Mumie aus Ägypten. Und dann ist da noch Ox, der eine Zombie-Mischung aus einem Mann und einem Bullen darstellt. Einfach ausgedrückt.

Vielen Dank für deine Zeit und viel Spaß auf der Tour.