Hallo Sandra. Du bist drei Mal für Holland beim Eurovision Song Contest aufgetreten. Welche deiner Teilnahmen war am schönsten?

Das lässt sich so genau nicht sagen. Jede Teilnahme für sich war etwas Besonderes. Auf verschiedene Art und Weise. Daher ist es schwer hier eine eindeutige Entscheidung zu treffen.

1972 hast du gemeinsam mit Andres und dem Titel "Als het om de liefde gaat" in Edinburgh Platz 4 belegt. Wann habt ihr euch kennen gelernt?

Wir sind 1968 das erste Mal als "Sandra & Andres" aufgetreten. Musikalisch waren wir bis 1975 ein Paar. Bis er sich dazu entschlossen hat mir den Laufpass zu geben, um mit der Sängerin Rosy ein neues Gesangsduo zu bilden. Somit wurde sie meine Nachfolgerin. Die Geschichte meines Lebens würde ich sagen (lacht).

Euer Song wurde in fünf unterschiedlichen Sprachen aufgenommen. Holländisch, Deutsch, Englisch, Französisch und Indonesisch. Waren diese vielen Sprachen ein Problem für dich?

Nein, überhaupt nicht. Ich liebe Sprachen und bin glücklich mit ihnen über die Musik in Berührung zu kommen.

Hast du heute zu Andres noch Kontakt? Was ist aus ihm geworden?

Nein, ich habe keinen Kontakt mehr zu ihm. Unsere Trennung damals war, wie bereits angedeutet, nicht gerade "einvernehmlich" und erfolgte auch nicht ohne Schlammschlacht seinerseits. Aber das liegt weit hinter mir. Ich weiß, dass er zumindest noch lebt. Andres hat damals sehr viel Geld verdient, weil er fast alle Lieder für uns geschrieben hat. Das viele Geld hat er als Komponist eingenommen. Er ist außerdem der Verfasser des Millionenhits "Immer wieder Sonntags" von Cindy & Bert. Das ist sein Lied. Somit hat er alleine hier in Deutschland schon ein Vermögen gemacht. Zur damaligen Zeit ging das noch. Aber mittlerweile hat er wohl alles verloren. Andres hat sein gesamtes Vermögen beim Glücksspiel verloren. Das habe ich aber wirklich nur gehört. Angeblich lebt er in einer kleinen Wohnung. Seine Frau hat ihn verlassen. Es ist mir allerdings auch egal.

Du hattest auch einige Auftritte im deutschen Fernsehen, insbesondere in der legendären ZDF Hitparade. Kannst du dich an diese Zeit noch erinnern? Wie oft seid Andres und du dort aufgetreten?

Leider kann ich nicht sagen wie oft genau. Ich weiß nur, dass es häufig war. Angefangen hat alles mit "Was soll ich tun?", der deutschen Version unseres Grand-Prix-Beitrages. Ich glaube, ich muss mal auf Youtube nachschauen, mit welchen Liedern wir hier in Berlin waren (lacht). Auf alle Fälle erinnere ich mich an einen Auftritt in der ZDF Hitparade mit dem Titel "Ich will dich für mich für immer". Der hat mir damals, und auch heute noch, sehr gut gefallen. Ich glaube auch mit "Mama Mia", bei "Tschinderassassa" bin ich mir nicht 100% sicher. Vielleicht noch einige Male mehr. Ich muss es wohl nachschlagen (lacht). Wir waren aber nicht nur in der ZDF Hitparade. Wir sind in allen großen und wundervollen deutschen Unterhaltungssendungen aufgetreten, die es in den 70er Jahren gab. Das war einfach großartig.

1975 hat Andres dich "verlassen" und sich mit der Sängerin Rosy zusammen getan. Die beiden haben, genau wie du, an der Vorentscheidung in Holland zum Eurovision Song Contest 1976 teilgenommen. Erinnerst du dich an die Begegnung mit den beiden damals während der Show? Was ist passiert? Wie waren deine Gefühle? Habt ihr miteinander gesprochen?

Nein, wir haben nicht miteinander gesprochen. Das lag aber an mir. Nach der Trennung von Andres habe ich anfangs mit einem Mental-Trainer zusammen gearbeitet. Weil ich einfach Angst hatte alleine auf die Bühne zu gehen. Vorher hatte ich immer mit einem Partner auf der Bühne gestanden. Acht Jahre lang. Das war für mich eine völlig neue Situation in der Vorentscheidung damals. Daher habe ich nach Unterstützung gesucht um gegen diese Ängste anzukämpfen. Ich habe mit gar niemand von den anderen Wettbewerbsteilnehmern gesprochen. Mein Mental-Trainer sagte damals zu mir: "Du musst dich auf dich konzentrieren. Blende alles andere aus. Bleib in deiner Garderobe, fokussiere dich nur auf dich. Das ist alles, was du tun musst". Und das habe ich gemacht. Ich habe gar niemanden an mich ran gelassen und mit niemandem gesprochen.

Hast du damit gerechnet, dass "The Party’s Over" der Sieger des Abends wird und du auf heimischem Boden in Den Haag die Niederlande beim Eurovision Song Contest vertreten wirst?

Nein, überhaupt nicht. Ich war die ganze Zeit in meiner Garderobe. Diese habe ich nur zu meinem Auftritt verlassen. Ich wollte nichts von dem mitbekommen, was da auf der Bühne vor sich ging. Ich habe ein Buch gelesen, und erschrak fürchterlich, als plötzlich die Tür auf ging. Es war ein Mitarbeiter meiner Plattenfirma: "Du musst auf die Bühne und dein Lied noch einmal singen. Du hast gewonnen". Ich war völlig erstaunt: "Komm schon, das kann nicht sein". Da habe ich einfach weiter gelesen. Bis ich die Journalisten sah, die sich um meine Garderobe drängten und unbedingt ein Foto von mir machen wollten. Ich begriff es erst, als er noch einmal sagte: "Ja, du hast gewonnen". Ich fragte: "Muss ich wirklich?". Alles was um mich herum geschah war in dem Moment so unwirklich. Weil ich so unsicher und nur auf mich konzentriert war. Ohne meinen Mental-Coach hätte ich den Auftritt damals sicher nicht durchgestanden.

Weißt du, ob Andres sauer war, dass er damals gegen dich verloren?

Keine Ahnung. Da musst du Andres fragen (lacht).

Du sagst, du warst zum Start deiner Solokarriere damals sehr unsicher. Empfandest du es als besondere Verantwortung auf heimischem Boden für dein Land aufzutreten? Oder war die Teilnahme in Den Haag eine besondere Erfahrung für dich?

Es war insofern eine besondere Erfahrung für mich, dass ich mir als Solokünstlerin, die acht Jahre lang Teil eines Duos war, meine Erfolge als Solointerpretin erst wieder neu erarbeiten musste. Es war alles wieder auf Null gestellt. Daher war der Auftritt in Den Haag eine besondere Erfahrung für mich, weil dies der Start für meine Solokarriere war. Die bis heute anhält.

Warum gibt es von "The Party’s Over" keine holländische Version?

Weil der Titel von Anfang an auf Englisch konzipiert war. Deshalb gibt es keine holländische Version. Ich habe den Song allerdings auf Französisch aufgenommen. Da ich aber diese Version, außer im Studio, nie mehr gesungen habe, kann ich mich leider an den Text nicht erinnern (lacht).

Warst du mit dem 9. Platz in Den Haag zufrieden?

Ich war damit zufrieden. Weil der Titel in den Niederlanden bis heute mein größter Hit ist. Leider in sonst keinem anderen Land. Daher war ich mit dem Resultat absolut glücklich.

Was ist abseits der Bühne passiert? Hattest du Kontakt mit anderen Künstlern?

Nein, leider nicht. Wie auch bei der Vorentscheidung war ich auf meine Performance unglaublich fokussiert. Alles andere um mich herum habe ich überhaupt nicht wahrgenommen. Ich wollte mein Bestes geben, und habe auch nur die absolut notwendigen Termine absolviert.

Ist es einfach Teil eines Duos zu sein oder alleine auf der Bühne zu stehen? Du hast ja beide Erfahrungen gemacht.

Ich bin viel glücklicher damit alleine auf der Bühne zu stehen. Dadurch kann ich mich mehr auf mich selber verlassen und konzentrieren. Ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen, und kann das tun, wonach mir gerade der Sinn steht. Und das ist gut so.

Warum folgte dann drei Jahre später die Umbenennung in "Xandra"?

Ich hatte dieses "Sauber-Mädchen" Image satt und wollte davon weg. Ich habe sozusagen ein bisschen "rebelliert". Ich wollte unbedingt meine eigene Rockband, vergleichbar mit Nena in Deutschland in den 80er Jahren. Mein neuer Sound sollte moderner und rockiger klingen. Wir nannten die Band dann schließlich "Xandra". Der Fokus lag eigentlich auf einer internationalen Karriere. Leider haben sich diese Wünsche nicht erfüllt.

War dies auch der Grund für die Teilnahme am Eurovision Song Contest 1979?

Das holländische Fernsehen hat damals bei mir angefragt, ob ich es nicht noch ein drittes Mal versuchen möchte. Offensichtlich hatten sie gute Erfahrungen mit mir gemacht (lacht).

In den Niederlanden hat eine Jury dann letzten Endes den Titel "Colorado" aus fünf verschiedenen Vorschlägen ausgewählt. Warst du damit zufrieden, oder wärst du lieber mit einem anderen Song nach Jerusalem gefahren?

Ich war mit der Wahl sehr zufrieden. Die Ballade "Lila Lavendel" hat mir allerdings auch sehr gut gefallen. Aber letzten Endes muss ich sagen, dass "Colorado" doch die beste Wahl gewesen ist. Der Song ist eingängig, auch wenn es selbst in den Niederlanden kein großer Hit geworden ist.

Wie sah es mit den Sicherheitsvorkehrungen in Israel aus?

Die Sicherheitsvorkehrungen in Jerusalem waren absolut streng. Das israelische Militär hatte das ganze Gebiet abgeriegelt. Wir wurden jedes Mal beim Betreten des Geländes durchsucht. Es war offensichtlich nötig um die Künstler und die Veranstaltung nicht in Gefahr zu bringen. Meiner Meinung nach waren die getroffenen Maßnahmen jedoch zu streng. Es war kein angenehmes Gefühl sich in diesem Hochsicherheitstrakt zu bewegen. Dennoch war die Atmosphäre sehr herzlich. Jeder hat sich bemüht uns die strengen Sicherheitsvorkehrungen nicht spüren zu lassen. In Holland wäre das sicher nicht so extrem gewesen. Allerdings verstehe ich, dass das israelische Fernsehen und die Politiker sich sehr um das Wohlergehen der Delegationen gesorgt haben und einfach sicher gehen wollten, dass niemandem etwas passiert.

Du hattest bei jedem deiner Grand-Prix-Auftritte sehr außergewöhnliche und sehr auffällige Kleidung an. Bevorzugst du Mode dieser Art?

Ich bin sehr stilbewusst und lege auf Mode sehr großen Wert. Das war meine ganze Karriere über der Fall und hat sich bis heute nicht geändert. Alle Outfits für meine drei Auftritte habe ich selber ausgesucht. Das aus Jerusalem hängt mittlerweile in einem Museum in den Niederlanden.

Du wurdest in Indonesien geboren. Bestehen dorthin noch irgendwelche Verbindungen? Hast du Familie dort?

Nein. Niemand aus meiner Familie lebt heute noch in Indonesien. Wir sind holländisch dort, und wir sind auch holländisch hier. Nur mit anderer Hautfarbe. Ich verbringe gerne meinen Urlaub dort. Aber das ist auch schon alles.

Beinahe völlig unbemerkt hast du beim Eurovision Song Contest 1983 in München ein Comeback gefeiert. Du warst als Chorsängerin für Bernadette mit dabei. Mochtest du "Sing Me A Song" und bist deshalb mit in die bayerische Landeshauptstadt gefahren?

Ich habe das Lied gehasst. Der Titel war einfach furchtbar. Ich dachte mir aber, dass es sicher toll wäre, zum Grand Prix zurück zu kehren und wieder Teil der Eurovisions-Familie zu sein. Aus diesem Grund habe ich es gemacht. Es war wirklich ein großer Spaß in München dabei zu sein. Ich wollte mich aber dort auf keinen Fall als "großer Star" in den Vordergrund spielen und Bernadette die Show stehlen. Ich hatte nie so ein großes Ego, um zu sagen: "Schaut auf mich. Ich bin hier der Star". Das bin einfach nicht ich. Es war gut so, wie es war als Chorsängerin. Wir haben in unserer freien Zeit einen Ausflug nach Dachau ins Konzentrationslager gemacht und wurden dort mit den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs konfrontiert. Ich war wirklich beeindruckt. Es hat mich damals sehr berührt.

Du bist ein sehr spiritueller Mensch. Ist dies eine Art Kompensation zu deinem Beruf als Sängerin, wo du im Rampenlicht stehst?

Das ist es mehr oder weniger jetzt. Das ist Teil meines Lebens geworden. Mittlerweile kann ich nicht nicht spirituell sein. Ich habe eine große Verwandlung hinter mir. Dies hat hauptsächlich damit zu tun, wie ich auf andere Menschen wirke. Bin ich ausgeglichen? Habe ich die Kraft in mir? Das hatte ich vorher nicht. Es war ein langer und harter Weg dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Mittlerweile ist dies ein Teil meines Ichs. Es hat mir die Möglichkeit eröffnet die Menschen auf völlig andere Weise zu sehen. Du sollst über niemanden urteilen. Oder gar verurteilen. Denn warum sollst ausgerechnet du dich als Richter aufspielen? Denn das, was du an anderen verurteilst, sagt sehr viel über dich selber aus. Wenn du symbolisch mit deiner Hand eine Pistole auf einen anderen Menschen richtest, zeigt ein Finger auf dein Gegenüber. Aber drei Finger zeigen in deine Richtung. Das funktioniert einfach nicht.

Was denkst du über die Entwicklung der Niederlande beim Eurovision Song Contest seit 2013, als Anouk mit "Birds" in Malmö aufgetreten ist?

Früher hat ein guter Freund von mir die Teilnahme für die Niederland am Eurovision Song Contest organisiert. Er war auch für die Auswahl der Lieder, die in der holländischen Vorentscheidung präsentiert wurden, mitverantwortlich. Leider ist er vor einigen Jahren verstorben. Dann wurde das Ganze von TROS übernommen. Von Menschen, die absolut keine Ahnung vom Eurovision Song Contest haben und was ihn ausmacht. Deshalb durften auch so viele, meiner Meinung nach, "seltsame" Künstler zum ESC fahren. Weil sie eben keine Ahnung hatten. Die einzig gute Idee war Anouk zu fragen. Sie hat zum Glück Ja gesagt. Aber nur unter der Bedingung: "Wenn ich es mache, dann so wie ich es will. Ich verbitte mir jegliche Einmischung". Und weil die Verantwortlichen eben absolut planlos sind, haben sie gesagt: "Ok, ok". Und nun glauben sie, sie hätten es erfunden. Dabei haben sie immer noch keine Ahnung (lacht).

Was denkst du über Douwe Bob? Hat er mit "Slow Down" 2016 einen guten Job gemacht?

Ich denke, dass er sehr gut war. "Slow Down" war zwar nicht ganz so prägnant, aber Douwe Bob hat eine starke Persönlichkeit. Ich mag ihn sehr. Er ist nett und hat eine bezaubernde Ausstrahlung. Douwe ist ein sehr guter Musiker meiner Meinung nach. Er ist nicht nur ein Sänger. Er ist ein Musiker, was etwas völlig anderes ist. Das gefällt mir besonders an ihm.

Vielen Dank Sandra und weiterhin viel Erfolg.