Hallo Esther. 2003 hattest du, neben der Vorentscheidung in den Niederlanden, auch in Großbritannien einen Titel im Rennen. Wie kam es dazu, dass du in beiden Ländern mit einem Song vertreten warst?

Mein damaliger Komponist hatte den Song "Wait For The Moment" an die BBC geschickt. Ich hatte aber keine Ahnung davon. Es gab mehrere Vorrunden im Radio und die Zuhörer konnten für diese Lieder anrufen. Ich kam immer weiter und weiter, bis zum Schluss nur noch vier Songs übrig waren. Das waren die vier Lieder, die in einer Fernsehshow gegeneinander antreten sollten. Erst als es soweit war, bekam ich einen Anruf: "Du hast dich mit meinem Song für die Vorentscheidung im Fernsehen qualifiziert". Zur gleichen Zeit stand ich jedoch in Verhandlungen mit einem Komponisten in den Niederlanden. Mit Tjeerd van Zanen, einem guten Freund von mir. Wir hatten nur bei einem Kaffee kurz darüber gesprochen. Tjeerd meinte: "Ich habe einen Song. Hör ihn dir bitte mal an". Das tat ich und meinte: "Ich würde den gern singen". Das Ganze befand sich noch in einem sehr frühen Stadium. Es stand noch nicht endgültig fest, dass ich "One More Night" singen werde. Dann bekam ich einen Anruf von der BBC. Ich müsste nun endlich eine Entscheidung treffen. Denn ich konnte nicht für beide Länder antreten. Also habe ich mich für mein eigenes Land entschieden. Zu diesem Zeitpunkt stand es aber noch nicht fest, dass ich in den Niederlanden das Finale erreichen würde. Aber glücklicherweise passierte es. Das war schon eine komische Geschichte. Die Statuten in Holland hätten es wohl erlaubt, dass ich für zwei Länder angetreten wäre. Aber die in Großbritannien nicht. Es wäre sicher witzig gewesen in Riga. Das Vereinigte Königreich trat direkt nach uns auf. Ich hätte mich einfach nur schnell umziehen müssen (lacht).

Hast du dich in deinen Augen auch für das bessere Lied entschieden?

Das kann ich nicht sagen. Das Lied in Großbritannien war eine große Ballade im Stil von Celine Dion. Also ein komplett anderer Stil als bei "One More Night". Bei mir war die Überlegung da, wenn ich beim Eurovision Song Contest antrete, dann möchte ich dies für mein eigenes Land tun.

Hast du "Wait For The Moment" auf Platte aufgenommen? Er befindet sich nicht auf deinem Album von damals.

Ja, eigentlich schon. Aber als ich vor kurzem gefragt wurde, habe ich selber nochmal darüber nachdenken müssen. Wir haben "Wait For The Moment" im Studio für mein Album damals eingespielt und aufgenommen. Aber letzten Endes hat es der Titel nicht auf die CD geschafft. Ich hab den Song nur für mich zu Hause. Die CD mit der Aufnahme ist irgendwo vergraben (lacht).

Welche Erlebnisse hattest du in Riga? Was ist dir am stärksten im Gedächtnis geblieben?

Es ist unglaublich viel passiert. Eurovision ist etwas ganz Besonderes, nicht wahr? Es ist, als wäre man für eine Weile auf einem anderen Planeten. So fühlt es sich an. Es ist großartig. Wie in einer Blase. Wenn du dann wieder zu Hause bist ist es schwierig zum Alltag zurück zu kehren. Es hat mir für meine Karriere unglaublich viel gebracht. Ich habe vorher schon unter professionellen Bedingungen als Sängerin gearbeitet und mein Geld sowohl damit als auch mit Gesangsunterricht verdient. Die Teilnahme hat mich auf eine höhere Ebene gebracht. Sowohl in musikalischer, als auch in persönlicher Hinsicht. Es gibt so viele schöne Erinnerungen, weil wir einfach eine fabelhafte Zeit dort hatten. Es war ein großartiges Team.

Das war auch auf der Bühne zu sehen. Es herrschte eine großartige Chemie zwischen dir und deinem Begleitchor.

Ja, absolut. Wir waren Freunde, und sind es auch heute noch. Wenn wir uns sehen, sprechen wir noch sehr oft darüber: "Wir haben das gemacht. Wir waren beim Eurovision Song Contest. Ist das nicht unglaublich?". Es war wunderbar diese Erfahrung machen zu dürfen und hat unglaublich viel Spaß gemacht.

Der deutsche Kommentator Peter Urban hat dich mit Frau Antje verglichen. Wegen deiner langen, blonden Haare. Sie ist in Deutschland sehr bekannt. Schmeichelt dir der Vergleich, oder ärgert er dich?

Ich habe keine Ahnung wer sie ist (lacht). Tut mir leid.

Sie macht im deutschen Fernsehen Werbung für holländischen Käse. Aber das ist wohl nur eine Erfindung der deutschen Werbeindustrie.

Nie davon gehört. Aber grüße sie bitte von mir. Auch wenn ich noch nie von ihr gehört habe (lacht).

2003 hast du dein Album "Straight From The Hart" veröffentlicht. Warum kam seit damals kein neuer Longplayer mehr von dir auf den Markt?

Die Plattenindustrie, ja die gesamte Musikindustrie hat sich in den letzten Jahren unglaublich stark verändert. Im Moment ist es einfach unheimlich schwierig eine Platte aufzunehmen. Du musst dein eigenes Geld da rein stecken, weil kaum noch Plattenverträge abgeschlossen werden. Jeder kann deine Musik einfach downloaden. Es ist sehr schwer geworden. Ich habe zwar schon seit längerem das Gefühl, dass ich gerne ein zweites Album aufnehmen würde. Nur würde dies enorm viel Zeit in Anspruch nehmen. Vor allem die Suche nach den richtigen Songs. In der Zwischenzeit gebe ich viele Konzerte, unterrichte Gesang. Ich habe Familie, ich habe zwei Kinder. Das würde schon sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Und um ein Album aufzunehmen, mit dem ich wirklich zufrieden wäre, und das auch gut wäre, braucht es eben ziemlich viel Zeit.

Arbeitest du im holländischen Fernsehen nicht auch als Moderatorin? Kannst du darüber ein wenig erzählen?

Ich arbeite dort nicht als Moderatorin. Sondern als Jurorin in verschiedenen Musiksendungen. Marlayne, die 1999 in Jerusalem "One Good Reason" gesungen hat, sie moderiert sehr viel im Fernsehen. Ich moderiere nur ab und zu bei regionalen Veranstaltungen in den Niederlanden. Aber nicht im Fernsehen.

War es schwierig 2005 deine Kollegen als Mitglied der Fachjury zu beurteilen, die sich um die Fahrkarte zum Eurovision Song Contest in Kiew damals beworben haben?

Natürlich war das schwer. Zwei Jahre vorher stand ich ja noch auf der anderen Seite. Wir haben uns damals für Glennis Grace entschieden. Und ich halte "My Impossible Dream" noch heute für ein großartiges Lied. Glennis ist eine fantastische Sängerin. Sie ist in den Niederlanden derzeit ziemlich dick im Geschäft. Ich konnte es nicht nachvollziehen, warum sie es nicht ins Finale damals geschafft hat. Das war zu der Zeit, als wir in den Niederlanden ohnehin nichts mehr verstanden haben (lacht). Da wurden auch viele negative Stimmen laut, ob es nicht besser wäre sich vom Eurovision Song Contest zurück zu ziehen. Zum Glück kam es nicht so weit.

Du bist, wie bereits erwähnt, Mutter von zwei Kindern. Welcher "Job" ist die größere Herausforderung? Mutter oder Künstlerin?

Whow… Ich denke der "Job" als Mutter ist die größere Herausforderung. Ich möchte meine Kinder auf die bestmögliche Art und Weise auf "die Welt da draußen" vorbereiten. Es ist die Balance zwischen beidem, die wichtig ist. Singen macht einen großen Teil meiner Persönlichkeit aus. Es gehört zu mir. Das bin ich. Wenn ich nicht singen kann, bin ich auch keine gute Mutter. Beides gehört irgendwie zusammen.

Du bist in dem Jahr angetreten, als der Eurovision Song Contest im Ganzen das letzte Mal eine Woche gedauert hat. Nun sind es mit Proben, Pressekonferenzen und Semifinals zwei Wochen. Welche Variante ist besser deiner Ansicht nach?

Heutzutage ist das wirklich schon sehr heftig. Die Künstler, die ich kenne, welche für die Niederlande angetreten sind, haben mir auch erzählt, dass es schon sehr stressig ist zwei Wochen dort zu verbringen. Das ist wirklich enorm viel Zeit. Ich weiß nicht, was besser ist. Die Zeiten ändern sich. Das ist der Lauf der Dinge. Ich kann mir nur denken, als jemand, der das von zu Hause aus sieht, dass das schon eine ganze Menge ist, was ein Künstler in dieser Zeit verkraften muss. Zwei Wochen vor Ort, ein Semifinale, möglicherweise dann noch ein Finale. Ich kann mir schon vorstellen, warum das manche letzten Endes abschreckt dort hinzufahren.

Bis 2013 haben sich die Niederlande acht Mal in Folge nicht für das Finale qualifiziert. Wie beurteilst du die Entwicklung die letzen drei Jahre?

Ich denke Anouk hat einen gewaltigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Sie ist eine der bekanntesten Künstlerinnen in den Niederlanden. Es war unglaublich wichtig, als sie gesagt hat: "Ich werde es machen". Allen widrigen Umständen zum Trotz hat Anouk ihr Ding durchgezogen. Sie hat auch nicht auf die negativen Stimmen um sie herum gehört, die gesagt haben: "Die Teilnahme wird sich negativ auf deine weitere Karriere auswirken. Tu das nicht". Sie musste sich über das Semifinale qualifizieren. Warum sollte sie sich das antun und ihren guten Namen ruinieren? Das war die Atmosphäre in ihrem Umfeld. Anouk hat aber dennoch gesagt: "Ich mache es!". Und das hat vielen Künstlern unglaublich geholfen. Nicht nur The Common Linnets, Trijntje Oosterhuis und dieses Jahr Douwe Bob. Der Eurovision Song Contest ist einfach eine großartige Bühne. Und ganz Europa schaut zu. Du trittst dort auf und kannst den Leuten zeigen, wer du bist. Und was kann falsch daran sein? Das hat in den Niederlanden unglaublich viel verändert. Zum Positiven. Das Publikum in Holland schaut wieder gerne zu. Die Leute rechnen sich sogar mittlerweile wieder Chancen auf den Sieg aus. Was viele Jahre lang nicht der Fall war.

The Common Linnets waren zwar in Anführungszeichen "nur" Zweite. "Calm After The Storm" war dennoch der größte Hit des Jahrgangs 2014 in Europa. Die Gruppe hat in Deutschland sogar einen Echo als beste Newcomer gewonnen.

Ich weiß. Mein Ehemann ist einer der Bandmitglieder von The Common Linnets. Er wird in diesem Jahr auch wieder in Deutschland auf Tournee gehen. Es war für mich ein magischer Moment, als sie in Kopenhagen aufgetreten sind. Ohne großartige Show drum herum, einfach nur reduziert auf den Song und die Gesichter der beiden Künstler. Absolut großartig.

Vielen Dank Esther und weiterhin viel Erfolg als Mutter, Sängerin und Gesangslehrerin.