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Melodifestivalen 2017: Überraschung in Skellefteå bei der 4. Vorrunde

In Skellefteå wurden die letzten sieben der insgesamt 28 Songs der Melodifestvalen Tournee 2017 vorgestellt. Seit Bekanntgabe der Interpreten hatten alle auf ihr Comeback gewartet: Loreen. Die ESC-Siegerin von 2012 mit "Euphoria" nahm mit "Statements" einen erneuten Anlauf auf die europäische Popkrone. Doch es sollte alles anders kommen, als erwartet.

Der Star des Abends war wieder einmal mehr David Lindgren. Eröffnet wurde die Show mit einer Hymne auf Skellefteå, wo der Sänger und Moderator auch am 28. April 1982 zur Welt kam. Er stimmte immer wieder "Hej Skellefteå" an, worauf die Halle jedes Mal in überbordenden Jubel ausbrach. Auf einem der vielen Schilder in der Kraft Arena stand sogar "Kung David" (König David) geschrieben. In der Tat wird SVT in den folgenden Jahren nur sehr schwer an David Lindgren als Moderator des Melodifestivalen vorbei kommen. Aber auch Moderatorin Clara Henry hat ihre Fans. Auf einem anderen Transparent war geschrieben "Clara for President".

Da die vierte Vorrunde äußerst prominent besetzt war, war im vornherein abzusehen, dass ein großer Name auf der Strecke bleiben würde auf dem direkten Weg ins Finale. Jon Henrik Fjällgren hatte vor zwei Jahren bereits Erfahrung beim Melodifestivalen gesammelt. 2015 war er mit "Jag är fri (Manne leam frijje)" hinter dem späteren ESC-Sieger Måns Zelmerlöw auf Platz 2 gelandet. 2017 hatte er Verstärkung in Person seiner Freundin Aninia mitgebracht. Der Auftritt der beiden war sehr mystisch gestaltet und fesselte das Publikum schon nach den ersten Tönen von "En värld full av strider (Eatneme gusnie jeenh dåaroeh)". Was sinngemäß "Eine Welt voller Kämpfe" bedeutet. Aninia in ein langes weißes Gewand gekleidet sang den schwedischen Text, währen Jon Henrik seinen samischen Joik-Gesang voller Gefühl gen Publikum schmetterte. Dies waren magische drei Minuten.

Die Startnummer 2 hat es traditionell bedingt ziemlich schwer. Alice wurde in Vietnam geboren und von schwedischen Eltern adoptiert. Sie hatte den eher seichten Popsong mit leichten Elektro-Anleihen "Running With Lions" im Gepäck. Ihrer Stimme haftete das typisch asiatische Timbre an. Der Auftritt war mit viel Licht und viel Windmaschine sehr effektvoll inszeniert. Alice genoss sichtlich diesen Auftritt. Ihr wird vermutlich klar gewesen sein, dass dies ihr einziger sein wird.

Die Jungs von Les Gordons hatten ihr Ticket für das Melodifestivalen beim Nachwuchswettbewerb "Svensktoppen nästa 2016" gewonnen. Seit vielen Jahren bekommt ein Act dieser Veranstaltung das Startrecht bei der größten Unterhaltungsshow Schwedens. Da hier die Chancen auf ein Weiterkommen der Nachwuchsgruppen äußerst gering sind, wurde ein bekannter Komponist beauftragt ein Lied für diese zu schreiben. In diesem Fall Jimmy Jansson, der in den Jahren 2005 und 2007 ebenfalls als Interpret beim Melodifestivalen mit dabei war. "Bound To Fall" war ein weichgespülter Rock-Song mit minimalen Synthesizer Einflüssen und machte auf das Publikum wenig bis gar keinen Eindruck.

Nun war es Zeit für die zweite große Favoritin des Abends, Wiktoria. Die 20-jährige war, wie David Lindgren in seiner Anmoderation erwähnte, 2011 Vierte beim "Lilla Melodifestivalen" geworden sowie Vierte beim "großen" Melodifestivalen ein Jahr zuvor. Nach "Save Me" 2016 hieß ihr Beitrag 2017 nun "As I Lay Me Down". Der Song war im Stil einer Amy McDonald gehalten und bereitete seiner Interpretin offenbar sehr viel Freude. In ein bodenlanges, fliederfarbenes Kleid gehüllt performte Wiktoria die Hälfte des Songs in einem überdimensionalen Bett. Das Outfit passte perfekt zu der langen blonden Mähne der Sängerin, war aber ob der vielen Wege, die Wiktoria auf der Bühne zurücklegen musste, vielleicht etwas unglücklich gewählt. Sie musste ihr Kleid immer wieder anheben. Passend zum Songtitel durfte sie sich während des Vortrages sogar ausruhen und sich kurz hinlegen. Die Halle war begeistert.

Was als nächstes folgte war einfach nur bemerkenswert. Axel Schylström hatte eigentlich mit einer Karriere als Fußballer geliebäugelt. Bis ein schweres Zugunglück sein gesamtes Leben veränderte. Der 24-jährige, der bei der gestrigen Probe seinen Geburtstag feierte, erlitt dabei Verbrennungen dritten Grades an 70% seines Körpers. Nachdem die sportliche Karriere so jäh geendet hatte, entschloss sich Axel Sänger zu werden. 2015 erreichte er bei "Idol" in Schweden Platz 4, nun war er beim Melodifestivalen dabei. Er geht mit seinen Narben offensiv um und arbeitet nebenher als Mental-Coach. Im Vorfilm war er, gemeinsam mit seinem Bruder, der sein größer Fan ist, unter der Dusche zu sehen. Den Auftritt mit seiner Tanznummer "När ingen ser" (Was niemand sieht) genoss er sehr, denn immer wieder waren bei seinen perfekten Tanzeinlagen kleine Jubelschreie zu hören. Die Halle war emotional berührt und spendete ihm den bisher größten Applaus des Abends.

Sara Varga hatte auch bereits MF-Erfahrung sammeln können. 2011 war sie mit dem außergewöhnlichen "Spring för livet" im Finale auf Platz 9 gelandet. In diesem Jahr hatte sie Verstärkung in Form von Juha Mulari im Gepäck. Dass die leisen Töne beim Melodifestivalen nicht mehr gefragt sind, wurde bereits in Vorrunde 1 deutlich, als ESC-Siegerin Charlotte Perrelli auf dem letzten Platz gelandet war. "Du får inte ändra på mig" war stiller schwedischer Country-Sound. Erschwerend für das Duo kam hinzu, dass Juha Mulari stimmlich ein wenig daneben lag. Und das kann in solch einem Fall Genick brechend sein. Der Applaus hinterher war minimal bis gar nicht vorhanden.

Nun war der große Moment gekommen. Der allerletzte der insgesamt 28 Beiträge stand an. Loreen. Sie hatte nach ihrem Sieg mit "Euphoria" nicht nur sämtliche Chart-Spitzen Europas erreicht, sondern auch diverse Preise eingeheimst. Einen Nachfolgehit ähnlichen Kalibers hat es bis heute nicht gegeben. Vermutlich auch deshalb der erneute Versuch beim Melodifestivalen. "Statements", das sie gemeinsam mit den "Heroes"-Komponisten geschrieben hatte, sollte ihr zum großen Comeback verhelfen. Einer der Gründe für die stockende Karriere waren die Anschluss-Titel an ihr ESC-Siegerlied, die wenig bis gar nicht massenkompatibel waren. Würde es mit "Statements" die große Wende geben? Der Auftritt war ähnlich düster wie "Euphoria" angelegt. Loreen trat barfuß mit mehreren Alter Egos auf, in verschiedenen Altersstufen (da dürfte das Kind-Loreen-Double bei einer möglichen ESC-Teilnahme Schwierigkeiten bekommen). Der Sound war sehr experimentell und in diesem Fall leider auch nicht unbedingt auf die breite Masse ausgelegt. Würde es dennoch für den Finaleinzug reichen? Das Publikum war eher verschreckt und spendete nur spärlich Applaus.

Als Pausenact gab es einen kleinen Besuch in der Melodifestivalen-Reinigung. Der Reinigung der die MF-Stars ihre Kleidung anvertrauen. Die Inhaberin, eine Dame mit osteuropäisch-schwedischem Akzent, begrüßte Lill Lindfors. Ihr Modedesigner vom Eurovision Song Contest 1985 hatte sogar das Trick-Kleid dabei, mit dem die damaligen Moderatorin das Publikum damals nur ein wenig aufwecken wollte.

Nach diesem kurzen Ausflug stand schon das Ergebnis der ersten Wertungsrunde fest. Erwartungsgemäß schieden hier Sara Varga & Juha Mulari aus. Das gleiche Schicksal ereilte die Nachwuchsband Les Gordons.

Im zweiten Ausflug in die Reinigung gab es ein Wiedersehen mit Anna Book. Die Reinigungsfrau begrüßte die Sängerin, die den Schweden sozusagen das "ABC" beigebracht hat. Denn mit diesem Titel aus dem Melodifestivalen 1986 hatte sich die damals 15-jährige in die Herzen der schwedischen Zuschauer gesungen. Als die beiden gerade ein wenig am Lästern über Tommy Nilsson waren, betrat dieser den Laden.

Seit dem Vorfall vergangene Woche, als es beinahe (unfreiwillig) zum "Zungenringkampf" zwischen David Lindgren und Robin Bengtsson gekommen war, ist der 34-jährige unter den Interpreten im Greenroom gefürchtet. Gut gelaunt stimmte der Moderator mit einer Ukulele bewaffnet "Bra vibrationer" an (Kikki Danielsson, ESC Schweden 1985). Plötzlich hatte David eine Schere in der Hand, soo dass die Damen Loreen, Aninia und Wiktoria um ihre Haarpracht fürchten mussten. David Lindgren schnupperte sogar an der blonden Mähne der 20-jährigen.

Mit dem berühmten Satz "Sverige, vi har ett resultat" (Schweden, das Ergebnis liegt vor) eröffnete Clara Henry den wohl spannendsten Teil des Abends. Während David Lindgren ein letztes Mal "Hej Skellefteå" gen Publikum schmetterte, verteilte Hasse Andersson Devotionalien seines Moderations-Partners im Publikum. Und zwar Jacken und Pullis. Das erste Ergebnis war kein überraschendes. Wiktoria zog mit "As I Lay Me Down" ins Finale ein.

Über seine Fahrkarte in die Andra Chansen nächste Woche freute sich Axel Schylström riesig. Ihm folgte… Loreen. Sichtlich enttäuscht über dieses Ergebnis musste sie von ihrem Komponisten-Team getröstet werden. Nun blieben nur noch Alice und Jon Henrik Fjällgren feat. Aninia im Rennen um den letzten Finalplatz. Die gebürtige Asiatin wusste, was ihr blühen würde. Denn ins Finale zog das Duo mit "En värld full av strider (Eatneme gusnie jeenh dåaroeh)" ein, dem einzigen schwedisch-sprachigen Titel.

Nr.  Interpret Titel


1. Jon Henrik Fjällgren feat. Aninia "En värld full av strider"  1. F
2. Alice "Running With Lions" 5.

3. Les Gordons "Bound To Fall" 6.

4. Wiktoria  "As I Lay Me Down" 1. F
5. Axel Schylström "När ingen ser" 3. AC
6. Sara Varga & Juha Mulari "Du får inte ändra på mig" 7.

7. Loreen "Statements" 3. AC

Nächste Woche geht es weiter mit der Andra Chansen, wo sich noch einmal acht Songs um vier freie Plätze in der Friends Arena in Solna bewerben.


Die glücklichen Sieger dieser Vorrunde
Jon Henrik Fjällgren feat. Aninia gemeinsam mit Viktoria
Bild: © Stina Stjernkvist / SVT


Sorgte für den emotionalsten Auftritt des Abends
Axel Schylström freute sich riesig über seinen Einzug in die Andra Chansen
Bild: © Stina Stjernkvist / SVT


Das Comeback ging wohl gründlich in die Hose
Sichtlich schockiert erreichte Loreen mit "Statements" lediglich die Andra Chansen
Bild: © Stina Stjernkvist / SVT