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Der Zweite wird wieder Sieger auf Island

Die Schweden sind gern gesehene Gäste auf Island. Nach Loreen 2016, Måns Zelmerlöw 2017 hatte nun Robin Bengtsson die Ehre "Söngvakeppnin 2018" zu eröffnen. Es war ein knappes und spannendes Rennen. Am Ende setzte sich die eine große Stimme gegen die andere durch. Auch wenn schon, beinahe traditionsgemäß, der Zweite letzten Endes das Rennen machte und nach Lissabon fahren darf.

Nachdem Robin Bengtsson "I Can’t Go On", diesmal mit vier Damen anstatt Herren, präsentiert hatte, überließ er den Moderatoren des Abends die Bühne. Ragnhildur Steinunn Jónsdóttir, in einem atemberaubenden silbergrauen Kleid, sowie Jón Jónsson im schwarzen Smoking, verliehen so dem Finale einen zusätzlichen feierlichen Glanz. Wie bereits seit 2016 Gang und Gäbe wurde die Show aus der Laugardalshöllin übertragen, direkt neben dem Nationalstadion Islands in Reykjavik.

Der Abstimmungsmodus im Finale war ebenfalls ein anderer, im Vergleich zu den Vorrunden. Die sechs Endrundenteilnehmer, wovon zwei auf Isländisch sangen, sollten von sieben Jurymitgliedern sowie dem Publikum bewertet werden. Beide hatten die gleiche Anzahl an Stimmen zu vergeben. Das Juryvotum wurde entsprechend den Anrufen in Punkte umgewandelt. Die beiden Titel mit den meisten Stimmen kämpften anschließend im Superfinale alleinig um die Gunst der Zuschauer und die Ehre Island beim Eurovision Song Contest 2018 zu vertreten.

Als Erste auf die Bühne durften die Fünf der Gruppe Fókus Hópurrin. Im ersten Halbfinale hatte der Song noch "Aldrei gefasst upp" geheißen, im Finale trat das Quintett nun mit der englischen Version "Battleline" an. Stimmlich waren sie grandios wie in der Vorrunde. Und sie hatten wirklich ihre Hausaufgaben gemacht. Alle waren in schwarz und rot gekleidet, jedes Mitglied hatte jedoch seinen individuellen Style. Auch Performance-technisch waren sie nun eine Einheit, was den Hymnen-Charakter von "Battleline" noch einmal zusätzlich unterstrich. Dies war der erste von drei Songs, an denen Þórunn Erna Clausen autorisch beteiligt war.

Fünf von sechs Beiträgen standen berechtigt hier im Finale von Söngvakeppnin 2018. "Here For You" des Duos Áttan gehörte definitiv nicht dazu. Es dauerte auch nicht lange, um zu hören wieso. Hier trafen mit Sonja und Egill zwei äußerst schwache Stimmchen in einem billigen Popsong aufeinander. Der weibliche Part, in ein schwarz-weißes Kunst-Yeti-Fell gekleidet, lag bei den Tönen völlig daneben. Im zweiten Halbfinale hatte hier noch Aron Brink, Teilnehmer bei Söngvakeppnin 2017, als Chorsänger auf der Bühne gestanden. Er wurde an diesem Abend durch Petúr Örn Guðmundsson und Erna Hrönn Ólafsdóttir ersetzt, was auch dringend notwendig war. Die beiden hatten schon zahlreiche Auftritte beim Eurovision Song Contest für Island hinter sich. Nach Ende dieser blamablen Vorstellung gab es vom Publikum in der Halle lediglich verhaltenen Höflichkeitsapplaus.

Ari Ólafsson gehörte, ob seiner stimmlichen Vorleistung im ersten Semifinale, zu den Favoriten auf den Sieg an diesem Abend. Mit seinen 19 Jahren ist er bereits jetzt schon ein gefragter Musicaldarsteller auf Island. Zurecht. Aus "Heim" war nun"Our Choice" geworden. Im Vorfilm wurde Ari noch aus seinem Bett geworfen, nun war er frisch und munter. Da wäre so mancher Zuschauer sicher gerne auf der Bettkante gesessen. Mit dem Rücken zum Publikum begann der Teenager seinen Auftritt, in einem Meer aus blauen Handylichtern. Dies war der zweite Beitrag von Þórunn Erna Clausen. Allerdings hatte hier die Witwe von Sjonni Brink sowohl den Text als auch die Musik alleine geschrieben. Minimale Abzüge in der B-Note gab es allerdings in zwei Bereichen. Zum einen hatte der englische Text kaum etwas mit dem isländischen gemein. Zum anderen konnte Ari der großen Musicalballade in der landessprachlichen Version deutlich mehr Leben einhauchen und Fahrt "mitgeben". Trotz allem jedoch ein grandioser Auftritt in seinem Bordeaux-farbenen Anzug.

Nach der Werbepause und Interviews aus dem Greenroom folgte nun der Auftritt der Geheimfavoritinnen. Heimilistónar, das sind Ólafía, Elva, Katla und Vigdís, erhielten schon vor ihrem Auftritt Szenenapplaus. Leider, oder vielleicht Gott sei Dank, traten sie nicht mit Schaufel und Besen auf, wie ihr Song "Kúst og fæjó" übersetzt heißt, auf. Die vier Damen hatten an ihrem bunten und fröhlichen Auftritt aus dem ersten Semifinale keine Änderungen vorgenommen. Nur, dass die Bühne deutlich mehr hergab und laufend bunte Blumen über die Videowände huschten. Auch wenn der Song in seinem 70er-Jahre-Stil über 40 Jahre zu spät kam, würde Island in Lissabon damit sicher für Aufsehen sorgen. Und die russischen Großmütter der Buranowskije Babubuschki haben 2012 schließlich auch Platz 2 mit "Party For Everybody" erreicht. Wer sagt, dass das die Heimilistónar nicht auch können?

Wenn einer die Mittel hatte Island ins ESC-Finale 2018 zu bringen, dann war es Aron Hannes. Bereits 2017 war er mit "Tonight" bei Söngvakeppnin auf dem Bronzeplatz gelandet. "Gold Digger" ist ein fröhlich-funkiger Gute-Laune-Song, der sofort ins Ohr und in die Beine geht. Wie bereits zuvor Ari Ólafsson wurde auch der 20-jährige aus dem Bett geholt und präsentierte sich im Kreise seiner Familie. Weißes T-Shirt und Bluejeans aus der Vorrunde hatten Aron und seine Kumpels gegen beigefarbene Hosen, weiße und hellblaue Polo-Shirts sowie bunte Pullis getauscht, die sie sich locker über die Schultern geworfen hatten. Sogar ein mobiler Eiswagen stand auf der Bühne. Der Applaus war zwar stark, jedoch nicht überschwänglich. Was vielleicht auch daran lag, dass der Sunnyboy nicht das Allerletzte aus seiner Stimme rausholte. Schade, Chance (wohl) vertan.

Das Beste folgt bekanntlich zum Schluss. Dies war auch bei Söngvakeppnin 2018 so. Dagur Sigurðsson, ist nicht der ehemaligen Trainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft, der nun unter die Sänger gegangen ist. Auch er hatte sich, als einer von zwei Interpreten entschlossen, auf Isländisch zu singen. Die Regeln besagen, dass im Finale der Song in der Sprache gesungen werden muss, wie er auch beim Eurovision Song Contest präsentiert werden wird. "Í stormi" entfachte, stimmlich betrachtet, von Dagur keinen Sturm. Nein, ein wahrer Orkan brach er hier vom Zaun. Er stand da, ganz in schwarz gekleidet, wie ein Fels in der Brandung inmitten von grauen Gewitterwolken. Der Chor betrat nur kurz zum Schlussakkord die Bühne. Mit von der Partie waren wieder Petúr Örn Guðmundsson sowie Stefanía Svavarsdóttir, die im zweiten Semifinale mit der Gruppe SLAY noch an vorderster Front im Rampenlicht gestanden hatte. Bei Dagur hatte man das Gefühl, er singt um sein Leben. Zum "Dank" spendete das Publikum in der Laugardalshöllin den stärksten Applaus des Abends. Auch hier stammte der Text von Þórunn Erna Clausen.

Nach dem letzten Auftritt gab es noch einmal Interviews aus dem Greenroom. Besonders beliebt waren hier Heimilistónar. Oder besser gesagt die zwei hübschen blonden Chorsänger, in ihren weißen Hemden und ihren schwarzen, schmalen Lederkrawatten. Die einfach nur schön anzusehen waren und keinen Ton von sich gaben. Anschließend erklärten Jón Jónsson und Ragnhildur Steinunn Jónsdóttir das Abstimmungsprozedere und stellten die sieben Mitglieder der Jury vor. Aus Island stimmten ab Vorjahressiegerin Svala Björgvinsdóttir (SB), Halldór Eldjárn (HE) und Hulda G. Gersdóttir (HGG). Dazu gesellten sich noch Robin Bengtsson (Schweden, RB), Emmelie de Forest (Dänemark EdF), Aleksandar Radić (slowenischer Head of Delegation, AR) sowie Joana Levieva-Sawyer (bulgarische Head of Delegation JLS).

Um Zuschauern und Jury genügend Zeit zum Abstimmen zu geben, startete nun das Pausenprogramm. Den Anfang machte Svala mit einer Pianoversion ihres Siegerliedes aus 2017. In der isländischen Version, "Ég veit Það". Ganz in rot gekleidet und barfuß lieferte die 41-jährige abermals eine grandiose Performance ab. Das isländische Publikum hätte sie am liebsten noch einmal zum ESC geschickt und kann noch immer nicht verstehen, warum "Paper" im Semifinale in Kiew gescheitert war.

Danach gab es ein Interview mit Robin Bengtsson, der vor ziemlich genau einem Jahr in der blauen Lagune auf Island um die Hand seiner Freundin angehalten hatte. Er gab zu, er hielt dies für den perfekten Ort. Allerdings schadete das Wasser in der Lagune dem Diamanten seiner Zukünftigen. Ragnhildur Steinunn Jónsdóttir fragte den gutaussehenden Schweden, ob er denn irgendwelche Tipps parat hätte, da sich Island seit 2015 nicht mehr für das ESC-Finale qualifizieren konnte. "Das Publikum soll mit dem Herzen wählen, wen es als seinen Vertreter wünscht. Egal, ob sich der Song fürs Finale qualifiziert."

Nun war Emmelie de Forest an der Reihe. Die ESC-Gewinnerin von 2013 präsentiere ihren neuen Song "History". Doch natürlich durfte auch ihr Siegertitel "Only Teardrops" nicht fehlen. Diesmal führte Jón Jónsson durch das anschließende Interview: "Du hast früher in einer Bäckerei gearbeitet. Gibt es Pläne deinerseits dahin zurückzukehren?". Darauf antwortete die 25-jährige, derzeit nicht, sie wolle sich voll und ganz auf die Musik konzentrieren. Aber sie vermisse die Croissants. Eine Rückkehr auf die ESC-Bühne als Interpretin schloss sie aus, nicht jedoch als Komponistin. Darin hatte sie ja bereits Erfahrung sammeln können. "Never Give Up On You" von Lucie Jones war 2017 für das Vereinigte Königreich gestartet.

Nach dem Ende der Telefon- und SMS-Abstimmung, sowie der Auszählung der selbigen, wurden zuerst die Stimmen der sieben Experten bekannt gegeben. Das Televoting hatte insgesamt 91.641 Anrufe gezählt. Um eine gleichmäßige Aufteilung der Jurystimmen zu gewährleisten, konnte jedes Mitglied 13.091 Punkte verteilen. Jedoch waren dies in der Summe aller sieben Juroren "nur" 91.637 Punkte. Für die Einstufung der Plätze 6 bis 1 gab es jeweils 1.364, 1.636, 1.909, 2.182, 2.727 sowie 3.273 Stimmen zu vergeben. Die einzelnen Jurymitglieder stimmten folgendermaßen ab:

Nr. Interpret Titel SB HE HGG RB EdF AR JLS Gesamt Platz
1. Fókus Hópurinn "Battleline" 2.182 1.636 1.636 1.909 1.364 2.182 2.182 13.091 5.
2. Áttan "Here For You" 1.636 1.364 1.364 1.364 1.636 1.364 1.909 10.637 6.
3. Ari Ólafsson "Our Choice" 2.727 2.727 3.273 1.636 2.727 1.636 2.727 17.453 2.
4. Heimilistónar "Kúst og fæjó" 1.364 1.909 1.909 2.182 2.182 3.273 1.364 14.183 4.
5. Aron Hannes "Gold Digger" 1.909 3.273 2.727 2.727 1.909 1.909 1.636 16.090 3.
6. D. Sigurðarsson "Í stormi" 3.273 2.182 2.182 3.273 3.273 2.727 3.273 20.183 1.

Anschließend wurde noch die Wertung des Publikums hinzugezählt. Daraus ergab sich dann folgendes Gesamtbild:

Nr. Interpret Titel Jury TV Gesamt Platz Superfinale
1. Fókus Hópurinn "Battleline" 13.091 12.859 25.950 5.  
2. Áttan "Here For You" 10.637 3.360 13.997 6.  
3. Ari Ólafsson "Our Choice" 17.453 18.408 35.861 2. SF
4. Heimilistónar "Kúst og fæjó" 14.183 17.619 31.802 3.  
5. Aron Hannes "Gold Digger" 16.090 14.848 30.938 4.  
6. Dagur Sigurðarsson "Í stormi" 20.183 24.547 44.730 1. SF

Somit zogen Ari Ólafsson und Dagur Sigurðarsson in den Endkampf. Die beiden besten Stimmen des Abends hatten sich durchgesetzt und durften noch einmal auftreten. Nach der Präsentation von "Our Choice" gab es Ari-Sprechchöre aus dem Publikum. Und auch Dagur konnte bei seinem "Í stormi" nochmals eine Schippe drauf packen, so dass sein Komponist Júlí Heiðar Halldórsson sich sichtlich gerührt ob der Leistung seines Schützlings zeigte und mit den Tränen kämpfen musste. So einen Sänger kann sich jeder Autor nur wünschen.

Um dem Publikum Zeit zur erneuten Abstimmung zu geben, die Jury hatte nun nichts mehr zu melden, gab es zuerst ein Interview mit Svala. Sie berichtete von ihren Erfahrungen aus Kiew und meinte, sie hätte dort die besten zwei Wochen ihres Lebens gehabt. Danach gab es ein äußerst umjubeltes Wiedersehen mit Daði Freyr Pétursson, der 2017 mit dem grandiosen "Is This Love" auf Platz 2 der isländischen Vorentscheidung gelandet war. Er präsentierte, in seinem üblichen Atari-Stil, Erfolgstitel der Söngvakeppnin-Geschichte. "Lífið er lag" der Gruppe Módel (2. Platz 1987), "Þu tryllir mig" von Hafsteinn Þórólfsson (3. Platz 2007) sowie sein eigener Titel in der isländischen Version, "Hvað með það?".

Dann kam der spannende Moment, Ragnhildur Steinunn Jónsdóttir und Jón Jónsson bekamen den alles entscheidenden Umschlag mit dem Endergebnis gereicht. Die Sympathien im Publikum waren eindeutig verteilt, die Ari-Rufe waren in der Mehrheit. Und tatsächlich, "Our Choice" war, buchstäblich, die Wahl des isländischen Publikums. Somit hatte sich der eigentlich Zweite (nach der ersten Runde) letzten Endes doch an die Spitze gesetzt. Dies war auch in den Jahren 2015 und 2016 der Fall. Vielleicht war es für den Unterlegenen Dagur Sigurðarsson doch ein Nachteil auf Isländisch gesungen zu haben. Sichtlich enttäuscht gratulierte er seinem Kontrahenten. Nachdem die ersten Tränen getrocknet und die Siegestrophäe von Svala überreicht worden war, präsentierte ein überglücklicher Ari Ólafsson noch einmal seinen Siegersong. Anschließend musste sich der 19-jährige erst einmal flach hinlegen. Auf die Bühne.

Nr. Interpret Titel TV Platz      
1. Ari Ólafsson "Our Choice" 44.919 1.      
2. Dagur Sigurðarsson "Í stormi" 39.474 2.      

Entdeckt wurde Ari Ólafsson von Islands ESC-Legende Selma, als er elf Jahre alt war. Aufgewachsen in Reykjavik verbrachte er einen Großteil seiner Jugend in Florida. Im Musical "Oliver" ergatterte er durch seine sonore Stimme und seine Ausstrahlung die Hauptrolle. Der 19-jährige studiert klassischen Gesang und wird nun in Lissabon vor geschätzt 200 Millionen dem europäischen Publikum sein Talent präsentieren. Doch leider ist zu befürchten, dass die seit 2015 anhaltende Misserfolgsserie ohne Finalqualifikation anhalten wird. Ari besitzt eine grandiose Stimme, ohne Frage. Das Problem dürfte der altbackene Song sein. Wir drücken Ari Ólafsson und Komponistin Þórunn Erna Clausen alle möglichen Daumen für Lissabon, dass die beiden dennoch das Finale erreichen. Blessun, Ísland.


Ein überglücklicher Ari Ólafsson konnte sein Glück kaum fassen
Er ist Islands Vertreter beim Eurovision Song Contest 2018 in Lissabon
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Der unterlegene Dagur Sigurðarsson
Konnte nach Bekanntgabe des Ergebnisses seine Enttäuschung nur schwer verbergen
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Die Gewinnerinnen der Herzen
Die vier Heimilistónar begeisterten sowohl Jury als auch Publikum gleichermaßen
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