D - Deutschland

1956 nahmen Walter Andreas Schwarz und Freddy (damals noch ohne den Nachnamen Quinn) bei der ersten Ausgabe in Lugano teil. Es hält sich bis heute das Gerücht, dass der Erstgenannte auf dem zweiten Platz landete. 1957 und 1958 nahm Margot Hielscher teil und landete auf den Plätzen 4 und 7 – bei jeweils zehn Teilnehmern. Alice und Ellen Kessler, damals in Frankreich äußerst populär, konnten in Cannes nur den 8. Platz erzielen. Bis zum heutigen Tag haben die Zwillingsschwestern "Heute Abend woll’n wir tanzen geh’n" nie mehr gesungen. 1962 hatten die Verantwortlichen beim Hessischen Rundfunk eine geniale Idee: Der Sieger der Deutschen Schlagerfestspiele sollte zum Grand Prix nach Luxemburg fahren. Das Lied kennt heute noch jeder. Conny Froboess erreichte mit "Zwei kleine Italiener" zwar "nur" Platz 6, hatte damit sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden und Skandinavien einen Riesenhit. Der absolute Tiefpunkt folgte zur Mitte des Jahrzehnts. Und das gleich in doppelter Ausführung. Sowohl 1964, als auch 1965 erhielten Nora Nova bzw. Ulla Wiesner null Punkte. Zu Beginn des neuen Jahrzehnts ging es deutlich bergauf und Deutschland erklomm drei Mal in Folge das Siegertreppchen. Die Namen des Erfolges: Katja Ebstein und Mary Roos. Als Lohn für Platz 3 und "Wunder gibt es immer wieder" durfte die in Polen geborene Ebstein im Jahr darauf gleich nochmal ran. Und durfte, ohne Konkurrenz, die deutsche Vorentscheidung alleine bestreiten. "Diese Welt" erreichte abermals den Bronzerang, was Mary Roos 1972 mit "Nur die Liebe lässt uns leben" wiederholen konnte. Im ABBA-Jahr 1974 folgte die neuerliche Ernüchterung. Das deutsche Vorzeige-Ehepaar Cindy & Bert ging im Seebad Brighton deutlich "baden". "Die Sommermelodie" landete, gemeinsam mit drei weiteren Ländern, auf dem letzten Platz. Für Joy Fleming und "Ein Lied kann eine Brücke sein" sprang im Jahr darauf zwar nur Platz 17 heraus. Das Mannheimer Urgestein durfte sich dennoch über einen absoluten Evergreen freuen.

1976 waren die Les Humphries Singers schon längst über dem Zenit ihrer Karriere. Dennoch feierte hier ein Mann seine Premiere für Deutschland, der die deutsche ESC-Landschaft prägen sollte wie kein anderer. Ralph Siegel, durch die Disqualifikation von Tony Marshall und "Der Star" an das Ticket für Den Haag gelangt, erreichte mit "Sing Sang Song" nur Platz 15. Doch die erfolgreichen Jahre sollten noch vor ihm liegen. Im Jahr darauf wurde die Regelung, dass jedes Land in seiner eigenen Sprache singen muss, wieder eingeführt. In bonbonrosa-farbenen Kostümen und mit grandioser Performance sangen Silver Convention, mit einer Ausnahmegenehmigung ausgestatt, "Telegram" in London auf Englisch. Nach Jahren des Darbens ging es somit mit Platz 8 endlich wieder bergauf. 1979 folgte nicht nur der Startschuss für Dschinghis Khan und Ralph Siegels Angriff auf die europäische Schlager-Krone, sondern auch eine grandiose Serie deutscher Beiträge beim Eurovision Song Contest. Während Katja Ebstein 1980 bei ihrer dritten Teilnahme mit "Theater" noch eher deutlich Johnny Logan unterlag, fehlten Lena Valaitis mit "Johnny Blue" gerade einmal vier Punkte zum Sieg. Umso deutlicher fiel dann der Triumph 1982 für eine 17jährige Saarländerin aus: Nicole gewann mit sagenhaften 61 Punkten Vorsprung und Ralph Siegel war mit "Ein bisschen Frieden" endlich am Ziel seiner Träume angelangt.

Ein Jahr später trat in München das Karlsruher Duo Hoffmann & Hoffmann mit „Rücksicht“ für Deutschland in München an, und konnte, nach anfänglicher Führung, am Ende Platz 5 feiern. Nach diesem absoluten Karrierehöhepunkt kam für die beiden Brüder leider nicht mehr viel, so dass sich Günter Hoffmann nicht einmal ein Jahr später in Rio de Janeiro das Leben nahm. Mary Roos' zweite Teilnahme stand persönlich unter keinem guten Stern. Rang 13 im Jahr 1984 war in der Serie der Erfolge der einzige Ausreißer nach unten. 1985 erreichte die damals neu gegründete Gruppe Wind mit "Für alle" aus Hanne Hallers Feder in Göteborg Platz 2. Dies konnte 1987 wiederholt werden, diesmal schrieb Ralph Siegel "Lass die Sonne in dein Herz". Mit diesem Song endete die grandiose Serie. Zwischen 1979 und 1987 erreichte Deutschland neben dem Sieg insgesamt vier Mal Platz 2 und war nur ein Mal nicht unter den ersten Zehn zu finden.

Danach ging es steil bergab. Selbst bekannte Namen wie Nino de Angelo, mit einer Komposition von Dieter Bohlen ausgestattet, und die Münchener Freiheit, die mit dem Ausflug nach Millstreet ihren Karriereknick verbindet, konnten nichts reißen. Also musste Ralph Siegel wieder ran. Vom MDR direkt nominiert, schickte er das Damen-Trio MeKaDo nach Dublin und erntete, in einem Feld voller Balladen, mit dem fröhlichen Popsong "Wir geben 'ne Party" einen grandiosen dritten Platz. Für die Bild-Zeitung war dies in den 90er Jahren, als der Eurovision Song Contest in Deutschland als Karrierekiller galt, gerade mal eine Fußnote wert. Dies änderte sich ein Jahr später, als das Duo Stone & Stone mit dem einzigen Punkt bei der vorletzten Wertung aus Malta nur den letzten Platz belegen konnte. Die Verantwortlichen beim MDR, die für diese Wahl verantwortlich zeichneten, sind sicher untergetaucht und haben mittlerweile neue Identitäten angenommen. "Verliebt in dich" wurde unter der Prämisse ausgewählt, was wohl dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl am besten gefallen würde. Wähnte sich Deutschland nach dieser Blamage schon auf dem Tiefpunkt, folgte dieser aber erst 1996. Nachdem der NDR vom glücklosen MDR übernommen hatte, gewann ein Frisör die deutsche Vorentscheidung. Leon siegte mit dem futuristischen "Planet Of Blue" von Hanne Haller. Da in den 90er Jahren immer mehr osteuropäische Länder in den Wettbewerb drängten, fand 1996 eine Vorauswahl statt. Jedes Land konnte einen Juror entsenden und musste die Lieder aufgrund einer Kassetten-Aufnahme bewerten. Die Folge: Deutschland verpasste erstmals die Teilnahme am Eurovision Song Contest. Ist aber das einzige Land, das in jedem Jahr, seit der ersten Austragung 1956, einen Beitrag hatte. Die norwegischen Produzenten waren ob des Ausscheidens des finanzstarken Geldgebers wenig begeistert. Deshalb wurde im Jahr 1997 die bis heute gültige BIG 5 Regel eingeführt, wonach Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich fest im Finale gesetzt sind. Doch die Revolution in Deutschland sollte noch einmal ein Jahr auf sich warten lassen.

1998 übernahm "Kronprinz" Stefan Raab das Zepter von "König" Ralph Siegel. Unter dem Pseudonym Alf Igel schickte er Guildo Horn in die deutsche Vorentscheidung. Der selbsternannte "Meister" gewann mit 62%, in Deutschland war endlich wieder das ESC-Fieber erwacht. Mit "Guildo hat euch lieb" konnte in Birmingham nicht nur ein grandioser siebter Platz gefeiert werden. Deutschland konnte zeigen: "Wir haben doch Humor". Der dritte Platz der Gruppe Sürpriz ging, nach der Disqualifikation von Corinna May, ein wenig in den deutschen Medien unter. Stefan Raab wollte 2000 in Stockholm selber ran und erreichte sein Ziel: "Wadde hadde dudde da?" landete auf den 5. Platz. Selbst Michelle kam mit ihrem 8. Platz und "Wer Liebe lebt" super gut weg. Nach zwei eher mäßigen Ralph-Siegel-Jahren konnte Max Mutzke, Schützling von Stefan Raab, wieder besser punkten. Die Jahre 2005 bis 2009 verliefen eher enttäuschend. 2005 letzter Platz für Gracia nach Chart-Manipulationsskandal. 2006 hatten Texas Lightning mit "No No Never" in Deutschland zwar einen Nummer-1-Hit und gehörten auch in Athen zum erweiterten Favoritenkreise, konnten aber mit Platz 14 die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Der Meister musste es also wieder richten. 2010 nahm Stefan Raab das Zepter in die Hand und kreierte eine Vorentscheidung der anderen Art. Siegerin dieses Wettbewerbs war Lena, die mit ihrer lockeren Art Europa im Sturm eroberte. In Oslo gewann "lovely Lena", wie sie von vielen in der Siegernacht bezeichnet wurde, mit "Satellite" und verkündete noch auf der Sieger-Pressekonferenz ihren Titel im Folgejahr verteidigen zu wollen. 2011 durfte sie daher die Vorentscheidung alleine bestreiten. Heraus dabei kam das futuristische "Taken By A Stranger". Hätte sie nicht selbst gesungen und wäre Deutschland eben nicht Titelverteidiger gewesen, wäre sicher mehr als Platz 10 dabei heraus gekommen. In Düsseldorf stellte die brillante Anke Engelke, Moderatorin neben Judith Rakers, sogar Stefan Raab in den Schatten. 2012 konnte Roman Lob in Baku noch einen 8. Platz erzielen.

Seitdem lassen die Erfolge wieder auf sich warten. Im Jahr 1 nach Stefan Raab konnte die populäre Gruppe Cascada ebenso wenig überzeugen, wie die Gewinner des neu eingeführten Club-Konzerts, Elaiza und Ann-Sophie. Letztere hatte außerdem mit dem Makel zu kämpfen, dass sie eigentlich nur die zweite Wahl war. Andreas Kümmert hatte nach einer grandiosen, vor allem gesanglichen Performance mit "Heart Of Stone" zwar deutlich gewonnen, aber kurz nach der Verkündung des Siegers für einen handfesten Skandal gesorgt. Er verzichtete auf die Fahrkarte nach Wien. Die eingefleischten Fans hatten es kommen sehen, aber dieses Ergebnis hätte niemand für möglich gehalten. Ann-Sophie erhielt, wie 50 Jahre zuvor Ulla Wiesner, keinen einzigen Punkt und wurde ob einer obskuren Regel, mit den "punkt-gleichen" Österreichern, auf den 27. und allerletzten Platz verbannt. Das gleiche Schicksal ereilte "The Voice"-Gewinnerin Jamie-Lee, jedoch erhielt sie zumindest 11 Punkte. 2017 "verbesserte" sich Deutschland durch Levina auf den vorletzten Platz.

Es wurden Stimmen laut, dass es nun Stefan Raab wieder richten soll. Oder zumindest seine Produktionsfirma. Allerdings kam es dann ganz anders, ohne Stefan Raab. 2018 gab es im Vorfeld keine allzu großen Erwartungen. Zwar stand nach sechs Jahren wieder ein männlicher Interpret auf der Bühne, dennoch war Skepsis angesagt. Die Vorjahre hinterließen Spuren bei Verantwortlichen und Fans. Was dann geschah, war die große Überraschung: Michael Schulte landete in Lissabon 2018 auf einem hervorragenden 4. Platz.

Wir hoffen, dass 2018 der Beginn einer tollen Serie ist mit einem weiteren Sieg. Denn Düsseldorf hat gezeigt, dass Deutschland Show kann und den internationalen Gästen einen grandiosen Eurovision Song Contest bieten kann.

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