Hallo Ann Sophie. Als die Einladung zum ESC-Wochenende nach Berlin kam, hast du da spontan zugesagt, oder gab es von deiner Seite erst einmal die Überlegung „mit dem Thema Eurovision Song Contest will ich nie wieder was zu tun haben“?

Nein, da habe ich eigentlich relativ schnell zugesagt. Warum auch nicht.

Was ist seit Wien alles in deinem Leben passiert?

Eine ganze Menge. Ich habe ein paar Konzerte in kleinem Rahmen gegeben, und derzeit organisiere ich eine Tournee für Januar und Februar 2016. Ich hatte meine erste Schauspielrolle, war auch kurz noch im Urlaub in Stockholm. Mir war seit Mai nicht langweilig (lacht).

Kannst du zum Auswahlmodus des NDR für das Clubkonzert etwas sagen? Diese Prozedur ist etwas undurchsichtig. Stand der Dinge ist es, dass man sich als Künstler mit einem eigenen Song bewerben kann, du hast aber erzählt, dass du dort schon „Black smoke“ singen wolltest, dann aber mit „Jump the gun“ angetreten bist, welcher auch nicht von dir stammt. Wie ging dies vor sich?

Also ich hatte mich ursprünglich mit meiner eigenen Single „Get over yourself“ beworben, die aber leider schon zu bekannt war. Aus diesem Grund habe ich drei Songvorschläge vom NDR erhalten. Darunter waren auch „Black smoke“ und „Jump the gun“. Und ich wollte halt unbedingt „Black smoke“ singen, aber dann wurde der Song von den Produzenten nicht frei gegeben. Dann habe ich eben „Jump the gun“ gesungen. Für die Deutsche Vorentscheidung in Hannover hatten wir die Produzenten soweit bearbeiten können, dass sie „Black smoke“ dann letzten Endes doch freigegeben haben.

Als Andreas Kümmert auf offener Bühne auf die Fahrkarte nach Wien verzichtet hat, was ist in diesem Moment in deinem Kopf passiert?

Das versteht man in dem Moment nicht wirklich. Man frägt sich, wie läuft das jetzt? Fahr ich jetzt, fahr ich nicht? Oh Gott, darf ich mich freuen? Da sind dann lauter Fragezeichen im Gehirn. Und dann musste ich ja auf einmal doch noch singen. Es hat alles ein paar Stunden gedauert, bis ich das alles gecheckt hab und sich alles gesetzt hat. Aber ich hab mir gesagt: „Ja geil, wenn der keinen Bock hat, ich hab auf jeden Fall Bock!“. Sind wir mal ganz ehrlich. Man soll keine falsche Bescheidenheit hier an den Tag legen. Ich fand es geil.

Wie schwierig war es für dich in der Pressekonferenz nach der Deutschen Vorentscheidung, die auch online übertragen wurde, mehr Fragen zu Andreas Kümmert als zu dir selbst gestellt zu bekommen?

Das verkauft sich besser, oder? Kann man doch verstehen, warum die danach gefragt haben… Hat mich nicht gestört, ich fand das eher angenehm (lacht).

Was natürlich sehr gut war für die Bild Zeitung, die hatten ihre Schlagzeile…

Eben. Mich hat das nicht gestört, das war mir relativ egal. Das sind Reporter, die machen ihren Job. Die wissen, was sich besser verkauft. Also stellen sie eben die Fragen, die jeden Menschen interessieren. Und deswegen… ist doch geil… mein Gesicht ging überall in den Zeitungen rum.

Meiner Ansicht nach hattest du bei dem Auftritt in Hannover deutlich mehr „Feuer im Arsch“ als bei deiner Performance in Wien. Warum wurde dies geändert?

Die Verantwortlichen vom NDR wollten nicht, dass ich mich zu viel bewege. Zumal die Kameraeinstellungen beim ESC sowas von exakt sind. In Hannover hatten wir eine Kamera, die die ganze Zeit mitgegangen ist, die dich eigentlich immer einfängt. Egal wo du grade rumläufst. In Wien hattest du in der einen Einstellung diese Kamera, in der nächsten Einstellung dann wieder eine andere. Deswegen probt man das Ganze auch so oft. Die Show muss auf den Zentimeter genau stimmen. Du darfst es dann auch nicht ändern. Und je mehr du dich bewegst, desto schwerer ist es für die Kamera dich einzufangen. Deswegen hat man versucht die Bewegungen im Stehen zu halten, so dass man das mit der Kamera einfach besser einfangen kann.

Also lag das an den Produzenten in Wien?

Genau. In Abstimmung eben mit dem NDR. Danach musste ich mich eben richten. Was für mich völlig ok war. Ich fand meine Performance in Wien weitaus besser, als die in Hannover. Wenn ich mir die anschaue, dann fallen mir die Ohren aus dem Kopf und die Augen. Da denk ich mir jedes Mal: „Mach das schreckliche Ding aus“. Das ist zumindest mein Empfinden. Ich fand meinen Auftritt in Wien auf jeden Fall besser.

Glaubst du, dass dein desaströses Abschneiden etwas mit dem Kriegsende vor 70 Jahren irgendwie zu tun haben könnte, dass in den Medien präsent ist? In den Dekaden nach dem 2. Weltkrieg hat Deutschland, bis auf eine Ausnahme 1985, in diesen Jahren immer

Keine Ahnung, dazu kann ich nichts sagen.

In der Bildzeitung hat sich nach Wien auch noch Ulla Wiesner zu Wort gemeldet, die 1965 zum bisher letzten Mal null Punkte für Deutschland erreicht hat. Kam mit ihr irgendein Treffen oder ein Gespräch zustande?

So ein Quatsch. Das wurde wieder alles von den Zeitungen hochstilisiert.

In Wien warst du erkältet, was du Arabella Kiesbauer auch während der Liveübertragung des 2. Semifinale erzählt hast. Glaubst du nicht, dass es für die Zuschauer etwas befremdlich gewirkt hat, als du ziemlich freizügig, beinahe oben ohne, in der Halle gestanden bist?

In der Halle waren ja auch 40 Grad. Ein Schal war da gar nicht nötig. Wenn du erkältet bist, musst du dich ja auch nicht wärmer anziehen. Ich hatte ja auch kein Fieber. Das findet ja in deinem Körper statt. Mir ist da immer unheimlich heiß, ich muss da immer etwas Lockeres anziehen. Weil ich finde nichts schlimmer als zu schwitzen.

Stimmt es, dass du dir irgendwann während der Wertung, als das schlechte Abschneiden schon abzusehen war, gesagt hast: „Lieber null Punkte, als ein paar“?

Ja. Definitiv. Entweder schwarz oder weiß. Nicht irgendwie grau. Da hatte ich keine Lust drauf. Das war schon gut so. Das finde ich viel viel besser, als irgendwo in der Mitte zu verschwinden. Denn da verschwindest du wirklich. Da erinnert sich wenigstens jeder dran. Jetzt geht es für mich nur noch darum zu beweisen, dass es weiter geht.

Super Einstellung. Fühlt es sich „besser“ an, nicht alleine leer ausgegangen zu sein und gemeinsam mit den MakeMakes das gleiche Ergebnis erreicht zu haben, oder war das dann auch „Wurscht“?

Also eigentlich fand ich es ganz geil, dass wir so die Underdogs waren. Aber letzten Endes ist mir das alles doch auch egal (lacht). Wirklich. Es tat natürlich am Anfang schon weh, sicher. Ich bin da aber relativ schnell mit einer anderen Einstellung ran. Was bringt mir das mir da irgendwie ein Eis drauf zu backen. Es ist halt einfach so, wie es ist. Es kommt nur drauf an, was man daraus macht. Also so leicht lass ich mich nicht unterbuttern.

Für mich war es eines der besten deutschen Lieder der letzten Jahre.

Genau das höre ich von sehr vielen Seiten. Und genau auf diese Leute konzentriere ich mich auch. Also mir hat noch kein einziger Mensch gesagt, dass er es verstehen kann, dass ich Letzte geworden bin. Kein einziger.

Das ist eben das System. Wenn du in jedem Land auf Platz 11 landest, gehst du trotzdem ohne Punkte nach Hause.

Genau. Deswegen ist mir das auch relativ egal. Ich habe von den italienischen Fans beispielsweise 12 Punkte bekommen. Darauf bin ich auch sehr stolz. Und Italiener haben auf jeden Fall Geschmack.

Würdest du es wieder tun, und wenn ja, was würdest du anders machen?

Ich würde es wieder tun, weil es viel Spaß gemacht hat. Ich werde es aber nicht wieder tun. Das ist mir ganz wichtig, dass dies eine einmalige Erfahrung bleibt. Ich würde es echt nochmal machen, weil es echt geil war auf dieser Bühne zu stehen und vor so vielen Leuten zu singen. Überall auch im Fernsehen zu sein und viele Leute kennenzulernen. Das ist alles cool. Aber ich glaube, also ich will jetzt nicht zu krass über die Zukunft sprechen, denn man weiß nie… aber jetzt erstmal so, das war jetzt die Erfahrung, ich durfte das alles erleben, jetzt erstmal würde ich es nicht machen.

Ich denke, die nächste Frage erübrigt sich, aber ich werde sie trotzdem stellen. Nach all den Erfahrungen, bist du Andreas Kümmert für seine Entscheidung noch dankbar, weil er so blöd war auf diese Chance zu verzichten, oder verfluchst du ihn?

Ich fand es nicht blöd von ihm. Er wollte es nicht, aber was soll man da machen. Es war vielleicht nicht so schlau von ihm sich dann da zu bewerben. Aber gut, wir Menschen haben alle unsere Zwiespälte, und da muss man eben einfach in sich gehen, und das hat er eben realisiert an diesem Abend. Schluss, Punkt, Aus und Ende. Da muss man nicht mehr drüber sprechen.

Das ist das perfekte Ende. Vielen Dank für deine offenen Worte und alles Gute.