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Rauschende Party bei der Schlager Nacht des Jahres in Mannheim

Stars und Sternchen des Deutschen Schlagers feierten mit 11.000 Zuschauern in der ausverkaufen SAP Arena in Mannheim gestern ein rauschendes Fest. Zwölf Interpreten, darunter die ehemaligen ESC-Teilnehmer Vicky Leandros und Münchener Freiheit, brachten die Halle zum Einsturz. Und ganz besonders die "alten Haudegen" begeistern immer noch die Massen.

Um kurz vor 18 Uhr heizte Moderator René Travnicek schon einmal die Stimmung an, bevor der Shooting-Star des Jahres 2018, Ben Zucker, auf die Schlager begeisterten Fans losgelassen wurde. Die Reibeisenstimme sprach den Zuhörern in der SAP Arena bei der derzeitigen Wetterlage mit seinem Sommerhit aus dem letzten Jahr "Der Sonne entgegen" aus dem Herzen. Ein roter Faden zog sich durch all seine Lieder, wie etwa dem Titel "Wer sagt das?!". Scheißegal was die anderen sagen, jeder ist richtig so wie er ist. Am 7. Juni wird Ben Zuckers gleichnamiges Album erscheinen, seine anstehende Tour ist fast schon ausverkauft.

Als nächste durfte Sotiria ran. Sie ist das Protegé des Grafen von Unheilig. Dieser war 2014 Zweiter hinter Elaiza in der Deutschen Vorentscheidung geworden. Da er als Interpret seine Karriere mittlerweile beendet hat, müssen nun andere ran. Die 32-jährige Sotiria ist ehemalige Frontsängerin der Band Eisblume. Bei ihren Songs war deutlich die "Handschrift" des Grafen zu erkennen. Der Song "Hallo Leben", gleichzeitig auch Titel des ersten Albums, ist eigentlich ein Duett mit ihrem Mentor. Dies sang sie nun alleine mit dem Publikum. Sotiria wird eine große Karriere prophezeit. Allerdings lässt sie eine eigene Identität vermissen. Und es ist sicher nicht von Vorteil sich von jemandem wie dem Grafen abhängig zu machen. Denn was passiert, wenn die Zusammenarbeit nicht mehr klappt? Wir werden dennoch ihre weitere Karriere verfolgen.

Sage und schreibe 465 Alben hat die Schlager-Legende und Gewinnerin des Grand Prix Eurovision de la Chanson 1972, Vicky Leandros, in ihrer 54-jährigen Karriere bereits veröffentlicht. Sie eröffnete ihr Repertoire in der SAP Arena auch gleich mit ihrem Siegertitel aus Edinburgh, "Après toi". Leider Vollplayback. Ihre griechischen Wurzeln wurden deutlich spürbar bei dem Klassiker "Ich bin wie ich bin". Ein wahres Erdbeben ging durch die Halle als Vicky die Hymne "Ich liebe das Leben"anstimmte. Hier brach vor lauter Begeisterung des Publikums schier das Hallendach zusammen. Ein absoluter Gänsehautmoment bei der Schlager Nacht des Jahres. Aber natürlich ließ die Meute die Schlager-Diva nicht ohne ihren größten Hit von der Bühne, "Theo, wir fahr’n nach Lodz". Auch hier war das Publikum völlig aus dem Häuschen.

Danach wurde es, zumindest was den Applaus anging, wieder etwas ruhiger. Mitch Keller, bis 2015 eher hinter den Kulissen tätig, beschloss vor vier Jahren, dass es endlich an der Zeit war, selbst zur Rampensau zu werden. Er zeigte keinerlei Berührungsängste und klatschte sich, als er von der Bühne ging, mit dem Publikum ab. Höhepunkt seiner drei Songs war zweifelsohne der Titel "Zuhause (Ich bleib bei dir)", der deutschen Version des Nummer-1-Hits von Melanie C "The First Day Of My Life".

Zu den Stars der Schlager-Szene gehört die ehemalige Wolkenfrei-Frontfrau und Ex-DSDS-Jurorin Vanessa Mai. Auch das prophezeite Ende ihrer Karriere hatte die 26-jährige souverän überstanden. Nach zwei mit Pop-Titan Dieter Bohlen produzierten Alben wurde die Zusammenarbeit von Seiten der Künstlerin beendet. Und einem Pop-Titanen kündigt man nicht so einfach. Doch weit gefehlt. Mit "Schlager", ihrem Erfolgs-Album aus dem letzten Jahr, erreichte Vanessa Mai problemlos aus dem Stand wieder Platz 1 der Charts. Darauf stellt sie eindrucksvoll unter Beweis, dass sie sich in keine Schublade stecken lässt. Mit dem Rapper Olexesh stieg sie mit "Wir 2 immer 1" bis auf Platz 33 der Single-Charts. Bei ihrem Auftritt in der SAP Arena zeigte die Schwiegertochter von Andrea Berg, dass sie kein Work-Out benötigt um fit zu bleiben. Sie hat die Bühne. Vanessa, von ihrer Band begleitet, sang alle Songs, inklusive des Wolkenfrei Klassikers "Wolke 7" live. Auch wenn dabei so einige Töne in die Grütze gingen. Aber bei so viel Körpereinsatz, für den Vanessa Mai ja bekannt ist, konnte das Publikum dies verschmerzen. Unter riesigem Applaus für "Ich sterb‘ für dich" verließ sie die Bühne.

Tiefpunkt, zumindest was das Niveau anging, war beim letzten Act vor der Pause angesagt. Mallorca-Star Mickie Krause, wie immer mit schlecht sitzender Perücke und Sonnenbrille ausgestattet, "rockte" dennoch die Halle. Mit seinen Gassenhauern "Reiß die Hütte ab" und seinem größten Hit "Schatzi schenk mir ein Foto!" verwandelte er die SAP Arena in ein wahres Tollhaus. Auch wenn seine Witze allesamt unter der Gürtellinie waren. Aber ab einem bestimmten Alkoholpegel ist das wohl auch egal.

Eine der Zukunftshoffnungen des Deutschen Schlagers ist Sonia Liebing. Die sympathische Blondine hatte 2018 mit "Tu nicht so" einen Radio-Hit und hat nun zu Jahresbeginn einen Deal mit Electrola unter Dach und Fach gebracht. Mit außergewöhnlichem Timbre und toller Klangfarbe in der Stimme zeigte die 29-jährige, zweifache Mutter, wie der Schlager im Jahr 2019 aussieht. Jung frisch und modern.

Nach der Newcomerin nun zum Dinosaurier der Veranstaltung. Was absolut nicht despektierlich gemeint ist. Howard Carpendale, dessen Stern 1970 mit "Das schöne Mädchen von Seite 1" und dem Gewinn des Deutschen Schlagerwettbewerbs in Deutschland aufging, brachte ausnahmslos seine Klassiker in der SAP Arena zu Gehör. Allein schon als Moderator René Travnicek den 73-jährigen ankündigte bebte die Halle. Er trat mit vier männlichen Begleitsängern auf und sang alle seine großen Hits. Beginnend mit "Hello Again", über "Samstag Nacht" bis zu "Ti amo". Auch hier wurde, wie bei Vicky Leandros deutlich, dass die "alten Haudegen" des Deutschen Schlagers immer noch die Zugpferde solcher Veranstaltungen sind. Und das, obwohl das Publikum bunt gemischt war. Alt, jung, homo, hetero. Howard Carpendale, der laut eigener Aussage in seiner Karriere über 700 Lieder gesungen hat, konnte die Bühne jedoch nicht ohne sein liebstes Lied unter diesen verlassen. "Nachts, wenn alles schläft" aus dem Jahr 1979.

Die zweite Karriere des Eloy de Jong begann vor genau einem Jahr, am 17. März 2018. Dort sang er die Hommage an seinen verstorbenen Partner Stephen Gately, Mitglied von Boyzone. Im Verborgenen hatte ihre Beziehung stattgefunden, da sie sich beide aufgrund ihrer Karrieren in erfolgreichen Boy-Bands nicht outen konnten. Damals sang Eloy bei den Schlager Champions von Florian Silbereisen "Egal was andere sagen", die deutsche Version des Boyzone-Hits "No Matter What". Damit rührte der ehemalige Caught In The Act Sänger das Publikum zu Tränen und startete so erneut durch. Im Juni erschien sein Schlager-Debut "Kopf aus – Herz an" und stieg bis auf Platz 1 der Deutschen Albumcharts. Eloy sang, im weißen Anzug, ganz ESC-Like mit Windmaschine, und brachte neben seinem Song "Schritt für Schritt" den Marianne-Rosenberg-Klassiker "Liebe kann so weh tun" dem Publikum dar. Und wie bei keinem homosexuellen Interpreten durfte auch hier ein Lied über den "Regenbogen" nicht fehlen. Diesbezüglich muss auch noch Kritik an Moderator René Travnicek geübt werden. Er kündigte Eloy de Jong mit den Worten: "Er bringt heute Frauenherzen zum Höherschlagen" an. Bei einem bekennenden homosexuellen Sänger war dies eine Ohrfeige an all seine schwulen Fans. Von denen es sicher nicht wenige gibt.

Frisch von einem dreimonatigen Ausflug nach Australien zurück war der Schweizer Sonnenschein Beatrice Egli. Die Gewinnerin von DSDS 2013 hatte sich nach sechs Jahren harter Arbeit endlich eine Auszeit gegönnt um zu sich selbst zu finden. Braungebrannt und mit Hut brachte auch sie die 11.000 Schlagerfans in der SAP Arena zum Ausrasten. Die 30-jährige begeisterte mit "Herz an" genauso wie mit ihrem neuen Song, den sie Down Under geschrieben hatte, "Terra Australia". Mannheim bewies Textsicherheit bei ihrem DSDS-Siegersong "Mein Herz". Beatrice brauchte fast gar nicht selbst zu singen und gab unter Tränen ob der Begeisterung ihres Auftritts noch eine Zugabe. Vor lauter Freude vergaß sie dabei sogar den Text von "Verliebt, verlobt, verflixt nochmal". Was sie aber umso sympathischer machte.

Die Münchener Freiheit verbindet mit dem Ausflug zum ESC nach Millstreet 1993 den Niedergang ihrer Karriere in Deutschland. Gerade einmal Platz 18 war damals mit "Viel zu weit" drin. Seit damals hat sich einiges verändert. Stefan Zauner hat die Band zugunsten seiner Solokarriere Ende 2011 verlassen. Seitdem steht Tim Wilhelm am Mikro. Auch die fünf Jungs brachten ausnahmslos ihre Klassiker aus den 80ern zu Gehör. Beginnend mit "Tausendmal du", über "SOS", "Herzschlag ist der Takt" bis "Ohne dich". Doch leider ist nichts mehr so wie es war. Die Harmonien, und die Gesangsstrukturen, welche die Band in vor über 30 Jahren so erfolgreich werden ließ, sind leider nicht mehr vorhanden. Außerdem verfügt Tim Wilhelm bei weitem nicht über das Stimmvermögen und die Stimmhöhe von Stefan Zauner. Die Band wäre sicherlich gut beraten gewesen auch ein wenig aktuelleres Material zu präsentieren. Schade.

Zum Abschluss ein weiterer Haudegen. Matthias Reim. Der Name spricht für sich selbst. Nachdem er sich bis Ende der 80er Jahre für Kollegen wie Roberto Blanco und Bernhard Brink verdient gemacht hatte, hatte er 1990 ein Lied namens "Verdammt, ich lieb‘ Dich" in der Schublade. Der Rest ist Geschichte. 16 Wochen auf Platz 1 der Deutschen Singlecharts, der erfolgreichste Deutsch-sprachige Hit der 90er Jahre, 2,5 Millionen Mal verkauft. Der 61-jährige, deutlich von den Spuren schweren Krankheit gezeichnet, hat dennoch nichts an Ausstrahlung und Stimmvolumen eingebüßt. Er begann den Auftritt mit "Ich hab mich so auf dich gefreut". Auch Matthias Reim hatte sich, wie Howard Carpendale, vokale Unterstützung mit auf die Bühne gebracht. Doch zum Schluss fehlte noch ein Lied. Augenzwinkernd meinte Matthias: "Ich denke, ihr werdet nicht gehen, bevor ich nicht ein Lied gesungen habe." Das war logischerweise "Verdammt, ich lieb‘ Dich", welches selbst nach 30 Jahren immer noch jede Schlager-Party zum Überkochen bringt. Ein würdiger Abschluss für die Schlager Nacht des Jahres 2019 in Mannheim.

Wir sehen uns wieder bei der Schlager Nacht des Jahres am 28. März 2020. Wieder gleicher Ort und gleiche Stelle… und sicher wieder ausverkauft.


Seit fast 40 Jahren begeistert die Münchener Freiheit das Publikum
© Tim Wilhelm



Howard Carpendale hat sich zum Glück gegen eine Karriere als Cricket-Spieler entschieden
© Hergen Schrimpf



Vom Schlager-Sternchen zum Zugpferd, Vanessa Mai
© Sandra Ludewig